Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Buch bestellen Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

Erfüllungsgarantie

Quelle: SBI Gruppe der Schweizerischen Bauindustrie; Jahresbericht 2004
— Seite 13: Artikel von Dr. jur. Mauro Spaini: Der Garantievertrag zugunsten des Bauherrn bei Bauarbeiten
— Seite 24: Beat Büchler, lic. rer. pol., Geschäftsführer der SBI: Plädoyer für risikoangepasste, ausgewogene Sicherheiten

Die Erfüllungsgarantie ist eine neuere Erscheinung im Generalunternehmergeschäft. Derartige Garantien hat es früher primär bei grossen Infrastrukturbauvorhaben der öffentlichen Hand gegeben, etwa bei Eisenbahnbauten. Im Verlaufe der Zeit hat dieses neuartige Absicherungsinstrument auch im Hochbau und insbesondere bei Generalunternehmerprojekten vermehrt Einzug gehalten.

Die Erfüllungsgarantie ist grundsätzlich die Zusage eines Dritten, für die Erfüllung des Vertrages des Werkunternehmers einzustehen. Gemäss der Schweizerischen Gesetzgebung gibt es dazu grundsätzlich zwei Methoden: die Garantie gemäss Art. 111 OR und die Bürgschaft gemäss Artikel 492–512 OR. Da die Garantie bei Generalunternehmerprojekten vermutlich deutlich häufiger angewendet wird als die Bürgschaft, konzentrieren wir uns nachfolgend primär auf sie.

Methode 1: Garantievertrag

Der Garantievertrag entsteht, indem neben den Vertragsparteien des Generalunternehmergeschäfts (Besteller und Generalunternehmer) ein zusätzlicher Dritter in Erscheinung tritt, der sogenannte Garant. Dieser ist meistens eine Hausbank des Generalunternehmers und erhält von ihm den Auftrag, zugunsten des Bestellers zusätzliche Sicherheiten hinsichtlich der Bauausführung zu leisten. Konkret leistet der Garant Schadenersatz, wenn der Generalunternehmer seinen Vertrag gegenüber dem Besteller mangelhaft erfüllt. Dies äussert sich primär darin, dass das Bauwerk mangelhaft oder verspätet hergestellt wird. Die maximale Garantiesumme in Franken (oft etwa 10% der Werkvertragssumme) wird im Garantievertrag genannt. Die Erfüllungsgarantie dauert bis zur Ablieferung und wird dann ersetzt durch die Gewährleistungsgarantie. Manchmal reicht sie auch einige Monate (oft vier) darüber hinaus, damit auch das Risiko des Bauhandwerkerpfandrechts abgedeckt ist.

Beispiel einer Erfüllungsgarantie

Der Garantievertrag weist meistens eine Klausel auf, welche dem juristischen Laien recht sonderbar vorkommt. Hinsichtlich der Garantie wird nämlich etwa gesagt, dass sie vom Bauherrn «auf erste Aufforderungen hin und unter Verzicht auf jegliche Einreden und Einwendungen» in Anspruch genommen werden kann. Wir haben es hier mit einer Sofortzahlungsklausel zu tun, was für den Bauherrn sehr praktisch ist. Ohne Beweise vorlegen zu müssen, kann er die Garantiesumme in Anspruch nehmen. Der Grund für diese doch sehr bauherrenfreundliche Ausgestaltung des Garantievertrags wird darin gesehen, dass Garantieverträge mit der Klausel «Zahlen auf erstes Anfordern» weltweit einheitlich geregelt sind. Abgeschwächte Vertragstypen, bei denen der Bauherr zur Inanspruchnahme der Garantiesumme Dokumente vorlegen muss, haben sich bisher nicht durchgesetzt. Garantieverträge des Typs «Zahlen auf erstes Anfordern» beinhalten ein gewisses Missbrauchspotential, wobei Missbräuche anscheinend selten vorkommen. Der Jurist Mauro Spaini empfiehlt, durch eine sorgfältige Abfassung des Garantietextes genau zu definieren, wann die Garantie durch den Bauherrn in Anspruch genommen werden kann (Zahlungsunfähigkeit; verspätete oder mangelhafte Ausführung des Bauwerks etc.). Schutzlos sind Werkunternehmer und Garant nicht, wenn der Bauherr die Garantiesumme missbräuchlich einfordert; allerdings ist in diesem Fall die Beweislast umgekehrt: Der Garant muss beweisen, dass die Forderung zu unrecht erhoben wird. Der Generalunternehmer wird seinem Garanten in der Regel die notwendigen Beweismittel vorlegen, damit dieser gegenüber einem Richter beweisen kann, dass die Garantiesumme rechtsmissbräuchlich eingefordert wird. Die Garantie kann degressiv ausgestaltet werden. Dies bedeutet, dass die Garantiesumme im Verlaufe der Bauausführung reduziert wird. Es sollte klar vereinbart werden, nach welchen Kriterien diese Reduktion abläuft.

  • VSGU-Vorbehalt zu Sicherheitsleistungen (Erfüllungsgarantie)

Das Thema Sicherheitsleistungen (Erfüllungsgarantie) wird in den VSGU-Standesregeln behandelt. Im ausführlichen Kommentar (Argumentarium Standesregeln VSGU; Seite 6) finden sich dazu folgende Erläuterungen:

  • Erfüllungsgarantien im Umfang von 10% sind angemessen und schliessen alle Vertragserfüllungsrisiken (inkl. Bauhandwerkerpfandrecht) mit ein. Eine Beschränkung auf BKP Gebäude und Umgebung ist wünschenswert.
  • (...).
  • Das Eingehen von Erfüllungsgarantien höher als 10% kann zu einem Wettbewerbsvorteil führen, sollte aber nur in Ausnahmefällen eingegangen werden.

Methode 2: Bürgschaft

Wie bei der Garantie gibt es auch hier einen Dritten, diesmal ist es der Bürge, der gegenüber dem Bauherrn die Vertragserfüllung des Generalunternehmers sichert. Die Stellung des Bauherrn jedoch ist bei der Bürgschaftsverpflichtung deutlich weniger gut als bei der Garantie, er hat nicht das bauherrenfreundliche Druckmittel des «Zahlens auf erstes Anfordern». Vielmehr muss der Bauherr hier zuerst mit dem Generalunternehmer verhandeln und allenfalls sogar gerichtlich gegen ihn vorgehen. Dafür ist die Bürgschaft im Vergleich mit der Garantie die kostengünstigere Form der Sicherheit.

Beispiel einer Bürgschaftsverpflichtung

Fazit zum Thema Erfüllungsgarantie

Die Generalunternehmerbranche ist lange ohne Erfüllungsgarantien ausgekommen, und es ist keineswegs gesagt, dass es bei jedem Bauvorhaben eine derartige Garantie braucht. Die Bauherrschaft muss sich selber eine Meinung bilden, ob ihr Bauvorhaben so risikobehaftet ist, dass bereits in der Ausführungsphase eine Absicherung nötig ist. Bei leistungsfähigen, finanziell soliden Generalunternehmern ist eine Sicherheit nicht unbedingt angebracht.

Vorsicht geboten ist bei Billiganbietern. Wenn der Werkunternehmer keinen makellosen Leistungsausweis hat, und die Bauherrschaft eine mangelhafte Vertragserfüllung befürchtet, ist eine möglichst hohe Erfüllungsgarantie zweifellos empfehlenswert. Die Bauherrschaft sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass die Garantie sie für alle Vermögenseinbussen entschädigt, die sie durch einen schlecht erfüllten Vertrag erleidet.

  • Beispiel eines schlecht erfüllten Vertrags

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein Bauvorhaben, das eine schweizerische Papierfabrik in den Neunzigerjahren hat errichten lassen. Es hat sich um ein Lagergebäude für Papierrollen gehandelt. Bei der Abnahme des Bauwerks hat sich herausgestellt, dass der Siloteil des Lagers fehlerhaft konstruiert und gebaut worden ist. Dies hat zur Folge gehabt, dass bei Lagerbewegungen das ganze Gebäude in Schwingungen versetzt worden ist. Der Werkunternehmer hat sich jedoch nicht mehr um eine Sanierung kümmern können, da er zwischenzeitlich Konkurs gegangen ist.

Die Papierfabrik als Bauherrin hat zweifellos eine Vermögenseinbusse erlitten. Ausser dem eigentlichen Werkmangel hat sie aber auch einen Mangelfolgeschaden beklagen müssen, da sie das neue Lager gar nicht richtig hat nutzen können. Hätte eine allfällige Erfüllungsgarantie all diese Kalamitäten aufgewogen? Es ist zu bezweifeln. Im Nachhinein hat die Bauherrschaft vermutlich festgestellt, dass sie wohl das billigste Angebot ausgewählt hat, keinesfalls aber das wirtschaftlichste.

Weit besser als eine gute Ausführungsgarantie (Erfüllungsgarantie) ist somit eine gute Ausführung.