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Die Kartellbehörden verbieten die traditionelle Honorarformel

Ende 2000 kann der SIA zum letzten Mal in traditioneller Form die sogenannten «Grundlagen der Honorierung» für das Folgejahr veröffentlichen. Dieses Dokument enthält unter anderem die Stundenansätze der Honorarkategorien beim Zeittarif und, ganz wichtig, die Honorargrundprozentsätze p beim Kostentarif.

Der SIA bemüht sich eifrig die Angaben nur als Kalkulationshilfen zu bezeichnen, damit kein Verdacht aufkommt, unerlaubte Preisabsprachen zu betreiben. Bei der revidierten Ordnungsfamilie LHO SIA 102 ff. (Ausgabe 2001) geht man sogar noch einen Schritt weiter und streicht den Begriff «Tarif» aus den Vertragsgrundlagen.

Trotzdem beginnt ab 2001 der Konflikt mit der Kartellbehörde (Wettbewerbskommission WEKO) zu eskalieren. Die WEKO stellt dem SIA nämlich Ende 2001 das Ultimatum, «die knapp seit einem halben Jahr publizierten Leistungs- und Honorarordnungen (LM / LHO) des SIA abzuändern und entscheidende Teile zu streichen» (Quelle: SIA Geschäftsbericht 2002). Anscheinend verfügt der SIA aber über eine derartige Macht, dass er das Ultimatum ablehnen kann. Er kommt nämlich mit dem Gegenvorschlag durch, innert vernünftiger Frist ein neues Modell der Honorarberechnung zu erarbeiten. Wohlweislich lässt man sich gar nicht erst auf den Kampf ein, die traditionelle Honorarordnung verteidigen zu wollen.

Die «Grundlagen der Honorierung für das Jahr 2002» werden Ende 2001 vom SIA noch veröffentlicht, allerdings in gekürzter Form. Auf die Wiedergabe der Honorargrundprozentsätze p wird verzichtet. Als Begründung wird angegeben, dass sich die Verhältnisse gegenüber dem Vorjahr nicht verändert haben. Eine bemerkenswerte Innovation findet sich dagegen in der Tabelle der Stundenansätze beim Zeittarif: Für die neue Super-Kategorie des sogenannten Management-Consulting wird ein Stundenansatz von ab 320 Fr. als angemessen erachtet.

Ende 2002 wird es ganz bitter für den SIA: Zum ersten Mal veröffentlicht er gar keine «Grundlagen zur Honorierung» für das Folgejahr mehr. Die WEKO hat es dem SIA nämlich untersagt, die Honorargrundprozentsätze p weiterhin zu publizieren. (Genau genommen betrifft das Verbot die Faktoren K1 und K2, aus denen die Honorargrundprozentsätze abgeleitet werden). Auch die Stundenansätze dürfen nicht mehr veröffentlicht werden. – Faktisch bedeutet dies, dass ab Januar 2003 die traditionelle Honorarformel (am besten bekannt unter dem Begriff «Kostentarif») nicht mehr existiert.

Betreffend Honorarkalkulation herrscht nun ziemliche Orientierungslosigkeit; die meisten Architekten und Ingenieure arbeiten wohl einfach mit dem weiter, was sie seit Jahrzehnten kennen, auch wenn es nicht mehr ganz aktuell ist: Sie kalkulieren nach wie vor mit der Honorarformel und verwenden dazu die zuletzt veröffentlichten Honorargrundprozentsätze p, also die Tabelle von November 2000 («Grundlagen zur Honorierung für das Jahr 2001»).

Eine Zeit lang können sich die Planer mit dieser Unsicherheit auf dem Gebiet der Angebotskalkulation, die ständig etwas grösser wird, abfinden. Aber es kommt der Moment, wo sie wieder Sicherheit benötigen. – Im Herbst 2003 ist es so weit: das Zeitaufwandmodell erblickt das Licht der Planerwelt.

Das Zeitaufwandmodell aus dem Jahr 2003

Im Laufe der Jahre 2002/03 ringt der SIA mit der WEKO über eine neue Lösung für die Honorarberechnung, welche in kartellrechtlicher Hinsicht unbedenklich ist. Die Lösung wird gefunden: das Zeitaufwandmodell. Wie wir später sehen werden, ist es erstaunlich einfach.

Das Zeitaufwandmodell basiert auf folgenden zentralen Ideen:

  • für die Honorarermittlung wird, abhängig von Bauaufgabe und Bausumme, nicht mehr ein absoluter Preis vorgegeben (der «Kostentarif»), sondern ein Zeitaufwand
  • den Stundenansatz müssen die Bauplaner selber kalkulieren

Die neuerliche Revision der Ordnungsfamilie LHO SIA 102 ff., die erst 2001 he-rausgekommen ist, beschränkt sich nur auf die Teile der Honorarermittlung (hauptsächlich Artikel 6 «Honorarberechnung nach dem Zeitaufwand» und Artikel 7 «Honorarberechnung nach den Baukosten»). Die übrigen Bestimmungen der Ordnungen aus dem Jahr 2001 bleibt unverändert.

Der SIA veranstaltet Einführungskurse für Bauplaner, in welchen die neue Methode der Honorarberechnung mit dem Zeitaufwandmodell vermittelt wird; die Kurse dauern bis Juli 2004.

Im Frühling 2004 wird das breite Publikum zum ersten Mal über die neue Honorarberechnung informiert. Im «Hauseigentümer», dem wohl wichtigsten Organ für potentielle Gelegenheitsbauherren, erscheint der erste Artikel im März 2004 (Der Schweizerische Hauseigentümer, Zürich, Nr. 4, 1. März 2004, Seite 2, Autor: Dr. Hansjürg Leibundgut, Masch.-Ing.). Der Artikel ist etwas unglücklich konzipiert, weil der Autor postuliert, dass die Anbieter von Planungsleistungen zusätzlich zum Honorarangebot auch eine Kostenschätzung abgeben würden. Neben dem eigentlichen Honorarangebot seien dann auch die zu erwartenden Baukosten ein Entscheidungskriterium für die Bauherrschaft. Dies mag im Haustechnikbereich gelegentlich der Fall sein, worin sich der Autor vermutlich am besten auskennt. Bei den meisten Lesern des «Hauseigentümers» allerdings ist die Ausgangslage anders: Sie suchen primär einen Architekten, und zwar für meist kleinere Bauvorhaben im Wohnungsbau. Hier ist es wenig wahrscheinlich, dass zum Honorarangebot des Architekten gleich eine Kostenschätzung abgeliefert wird, denn das Projekt ist dazu in der Regel noch nicht genau genug definiert. Wäre dies in einem ganz frühen Projektstand trotzdem einmal der Fall, würde es sich vermutlich empfehlen, die Kostenschätzung nur mit einigen Vorbehalten als Entscheidungskriterium für die Architektenwahl zu verwenden.

Für den SIA ist die innert kurzer Zeit erfolgte zweimalige Revision der wichtigen Ordnungsfamilie LHO SIA 102 ff. in finanzieller Hinsicht ein Glücksfall. Die Publikation der neuen Leistungs- und Honorarordnung mit den entsprechenden Kursen sowie weitere Projekte bescherte dem SIA 2003 «ein absolutes Ausnahmejahr» (tec21 12/2004, Seite 26).

Das Zeitaufwandmodell wird im Abschnitt «Die heutige Honorarformel (Zeitaufwandmodell» beschrieben