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E. Das Leistungsmodell 95

Das Leistungsmodell 95 ist, wie es bereits die Jahreszahl im Namen andeutet, eine Innovation unter den Honorierungsmodellen. Es hätte auf das Jahr 1995 in Kraft gesetzt werden sollen, was aber aufgrund teilweise heftiger Widerstände aus Architektenkreisen nicht möglich gewesen ist. Die aktuelle Version (Sommer 1996) ist immer noch ein Arbeitsdokument und befindet sich voraussichtlich bis 1998 in (verlängerter) Vernehmlassung.

Das Leistungsmodell 95 (abgekürzt LM 95) ist für die SIA-Welt zwar eine Neuheit, es enthält aber nichts, was im Markt nicht schon vorher fest etabliert gewesen wäre. Das LM 95 ist somit nichts anderes als eine längst fällige Reaktion auf Entwicklungen in der Bauwirtschaft. Es zeichnet sich durch drei zentrale Merkmale aus: (1) es ist ein Generalplanermodell mit einem einzigen, umfassenden Planungsvertrag, (2) die Leistungen der Planer werden projektspezifisch mittels sogenannter Leistungsmodule definiert, und (3) die Honorierung wird nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkuliert und ist unabhängig von den Baukosten. Im folgenden gehen wir näher auf diese Eigenschaften ein.

 

  • Merkmal 1: Gesamtauftrag an Planungsteam

Beim LM 95 schliesst die Bauherrschaft für die Gesamtheit der Planungsleistungen einen einzigen Vertrag ab. Dieses Prinzip ist innerhalb der Bauplanungsbranche unter der Bezeichnung «Generalplanermodell» seit langem bekannt. Es ist bereits mit den alten Honorarordnungen SIA 102 ff. möglich gewesen. Die Gesamtbeauftragung wird von grossen Planungsfirmen regelmässig praktiziert, aber auch von Generalunternehmern, die selber die Planungsleistungen anbieten (Totalunternehmermodell). Das Besondere am LM 95 ist lediglich die Tatsache, dass sich das Prinzip des Gesamtauftrags an eher kleine Firmen richtet. Man geht davon aus, dass sich diese für konkrete Planungsaufgaben zu projektbezogenen, massgeschneiderten Planergemeinschaften zusammenschliessen. Das LM 95 stellt denn auch einen Formularvertrag zur Verfügung, den «Gesellschaftsvertrag für Planergemeinschaft», der für diese Vereinbarung verwendet werden kann.

 

  • Merkmal 2: Projektbezogener Leistungsbeschrieb

Die Planerleistungen werden gemäss LM 95 projektbezogen festgelegt. Dies ist ein Unterschied zum mehrheitlich standardisierten (nicht projektbezogenen) Leistungsbeschrieb der alten SIA-Honorarordnungen 102 ff. Die Gesamtleistung wird in Phasen und Module gegliedert. Es gibt fünf Phasen von der «Strategischen Planung» bis zur «Nutzung». Für die Konzeption der Module stellt das LM 95 ein Hilfsmittel in Form einer Tabelle zur Verfügung («Phasengliederung, Leistungsmodule»). Für über siebzig Leistungsmodule werden in diesem Dokument mögliche Inhalte auflistet (siehe nachfolgendes Beispiel). Der Umfang der im LM 95 definierten Planungsleistungen geht über den Bereich der alten Honorarordnungen hinaus und umfasst ebenfalls Planungstätigkeiten, die der eigentlichen Bauplanung vor- und nachgelagert sind (Projektvorbereitung, Nutzung etc.).

Die projektbezogene Definition der Planerleistungen ist zweifellos ein richtiger Ansatz. Bei der Besprechung des normalen Architektenvertrags haben wir auf viele typische Punkte hingewiesen («Grundsatz 2: Leistungen des Architekten präzisieren»), die auch bei der Anwendung der SIA-Honorarordnung 102 ff. projektbezogen festgelegt werden sollen. Sinnvoll ist es auch, die Planerleistungen für die Inbetriebsetzung und die Bewirtschaftung (Nutzung) besser zu spezifizieren.

Allerdings zweifle ich daran, ob die Projektvorbereitung in den Vertrag für die Bauplanung eingeschlossen werden soll. Meines Erachtens ist dafür ein separater Vertrag eher angezeigt. Dies wird vielfach auch von grossen Planungsfirmen so praktiziert, die selber Beratungsdienstleistungen für die Projektdefinition (Feasibility-Studie) anbieten. Meistens hat man nämlich vor der abgeschlossenen Projektdefinition kaum eine konkrete Vorstellung über das Bauvorhaben. Ohne diese kann man aber die am besten geeigneten Bauplaner nicht auswählen, und schon gar nicht ist es möglich, deren Leistungen und Honorare festzulegen.

Leistungsmodell 95
Beispiel eines Leistungsmoduls

Leistungsmodul 313: Vorprojekt
Modulziel
  • Wahl der optimalen Lösung für Bau inkl. Umgebung und technischer Gebäudeausrüstung

Mögliche Inhalte

  • Erarbeiten und Bewerten von Lösungsvarianten (die Art und Anzahl der zu bearbeitenden Varianten ist im Vertrag festzuhalten)
  • Integrales Umsetzen der Konzepte in ein Vorprojekt mit entsprechender Darstellung
  • Darstellen und Beschreiben des Vorprojekts Bau und Umgebung unter Berücksichtigung der technischen Gebäudeausrüstung für die optimale Lösung
  • Darlegen der Schnittstellen zur Nutzung und zum Betriebsprojekt
  • Darstellen der Massnahmen bezüglich Gewässerschutz, Lärmschutz und Luftreinhaltung
  • Erstellen Vorbericht Umweltverträglichkeit (falls erforderlich)
  • Erstellen des Nutzungs- und Sicherheitsplans
  • Überprüfung der Bewilligungstauglichkeit

Entscheide Investor / Bauherr

  • Vorprojekt genehmigen

 

  • Merkmal 3: Baukostenunabhängige Honorierung

Das Leistungsmodell 95 bringt die Abkehr vom (bausummenabhängigen) Kostentarif und somit den Verzicht auf die sogenannten SIA-Tarife für Planerleistungen. Nicht eine Formel bestimmt das Honorar, sondern eine betriebswirtschaftliche Vorkalkulation des Aufwandes. Das Honorar ist unabhängig von den Baukosten und richtet sich nur nach den Arbeitsmethoden und der Kostenstruktur des Anbieters. Mit anderen Worten: Es richtet sich nach dem Markt. Der Verzicht auf die baukostenabhängige Honorierung mittels Honorarformel ist zu begrüssen. Es gibt keinen Grund, wieso Planerhonorare nicht nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien festgelegt werden können. In Ländern wie den USA kann man sehen, dass dies in der Praxis durchaus funktioniert. Hier sind Honorarordnungen mit Tarifregelungen nicht nur verpönt, sondern sogar verboten. Durch die Abkehr von den SIA-Tarifen gleicht sich das Bauplanungsgewerbe hinsichtlich der Honorierung anderen Branchen mit hochwertigen Dienstleistungen an, wo es nie Honorarkonventionen gegeben hat. Denken wir etwa an die Betriebsplanung oder das weite Feld der Unternehmensberatung. Das Honorar richtet sich hier nach der Leistung. Die wirklichen Könner ihres Faches finden selbst dann Aufträge, wenn sie (wie die Branchenleader) Honorare fordern, die einen Drittel über dem Durchschnitt liegen.

 

  • Fazit

Die Modellentwickler des SIA sind der Meinung, dass sich das neue Leistungsmodell 95 für Bauherren und Projekte aller Art eignet. Nun ist es unbestritten, dass es ein sehr mächtiges Instrument ist für die sachkundige, professionelle Bauherrschaft. Meiner Ansicht nach fahren jedoch Laien und Einmalbauherren vermutlich mit der alten SIA-Honorarordnung 102 (Architekten) besser. Allerdings sollten sie am Leistungsbeschrieb einige Modifikationen vornehmen, was in diesem Buch im Detail beschrieben wird («Grundsatz 2: Leistungen des Architekten präzisieren»). Dadurch kommen sie ebenfalls in den Genuss der wichtigsten Vorteile des Leistungsmodells 95, insbesondere des projektbezogenen Beschriebs der Planerleistungen und der pauschalen, nicht von der Bausumme abhängigen Honorierung.