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Faktor q (Leistungsanteil)

Beim Faktor q (Leistungsanteil) ergeben sich ganz interessante Änderungen. Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über die Umarbeitung der Prozentwerte für die Leistungsanteile in der neuen LHO SIA 102 (Ausgabe 2001) im Vergleich zur alten Version von 1986.

 

  • Interessante Gewichtsverschiebung

Die Veränderungen der Gewichte wollen wir etwas genauer betrachten. Wir interessieren uns für die Auswirkungen auf die beiden hauptsächlichen Tätigkeitsgebiete der Architektenarbeit: Planung (Projektierung und Planerstellung, einschliesslich Gesamtleitung) auf der einen Seite, Ausführung (Kostenwesen und Bauleitung) auf der anderen Seite. Es fällt auf, dass das Gewicht des Planungsteils zunimmt und dasjenige des Ausführungsteils in gleichem Masse abnimmt (siehe Tabelle). Die Zuordnung der Gewichtsveränderungen zu den beiden Gebieten stammt vom Autor und ist nicht in jedem Falle eindeutig, weshalb die ausgewiesene Summe von 5.5 Prozentpunkten nicht als unumstöss-ich zu betrachten ist. Der Trend jedoch ist klar: Die Planung kostet mehr, die Ausführung weniger. Die neue Prozenttabelle habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen: Gefühlsmässig hätte ich genau das Gegenteil erwartet.

 

  • Überschätzter Einfluss der Informatik

Bei meiner Vermutung bin ich davon ausgegangen, dass vor allem die Informatik die Architektenarbeit verändert hat. Dies hat sie in den letzten fünfzehn Jahren zweifellos auch getan: Ihr Rationalisierungseffekt hat sich auf beide Teile der Architektenarbeit ausgewirkt, die Planung und die Ausführung.

Im Planungsbereich ist das Zeichnen der Pläne mit CAD effizienter geworden. Gründe dafür sind etwa das Verwenden von Bauteilbibliotheken oder das leichte Erstellen von Varianten aus bestehenden Vorlagen.

Aber auch bei der Ausführung spielt der Rationalisierungseffekt. Besonders der Bereich Kostenplanung und Kostenüberwachung hat sich enorm verändert und ist ohne Informatik kaum mehr denkbar. Die Baubuchhaltung ist heute tagesaktuell und Berichte aller Art können einfach ausgedruckt werden (siehe «Günstiger bauen», Abschnitt «Baukosten überwachen»).

Vergleich der Prozentwerte in den Leistungstabellen
(alte Version von 1986 / neue Version von 2001)

Prozentwerte Veränderungen der Prozentwerte nach Tätigkeitsgebiet
Phasen, Teilphasen
nach Art. 7.8 LHO SIA 102 (2001)
1986 2001 A. Planung
Projektierung + Planerstellung
B. Ausführung
Kostenwesen + Bauleitung
3. Projektierung
• Vorprojektphase
9.0
9.0
• Bauprojekt
12.5
13.0
+0.5
• Detailstudien
5.0
4.0
-1.0
• Kostenvoranschlag
7.0
4.0
-3.0
• Bewilligungsverfahren
1.5
2.5
+1.0
4. Ausschreibung
• Ausschreibungspläne
12.0
10.0
-2.0
• Ausschreibung und Vergabe
(inkl. Terminplan)
7.0
8.0
+1.0
5. Realisierung
• Ausführungspläne
9.0
15.0
+6.0
• Werkverträge
1.0
1.0
• Gestalterische Leitung
5.0
6.0
+1.0
• Bauleitung und Kostenkontrolle
27.0
23.0
-4.0
• Inbetriebnahme, Abschluss
4.0
4.5
+0.5
Total Phasen 3–5
100.0
100.0
+5.5
-5.5

Legende:
• Prozentwerte 1986: gemäss Art. 3.6 LHO SIA 102 (Ausgabe 1986)
• Prozentwerte 2001: gemäss Art. 7.8 LHO SIA 102 (Ausgabe 2001)

Kaum rationeller geworden ist jedoch die eigentliche Bauleitung, das tägliche Koordinieren der Bauarbeiten auf der Baustelle. Im Vergleich zu früher ist mehr oder weniger der gleiche zeitliche Aufwand erforderlich. Manchmal hat man den Eindruck, dass der Aufwand sogar noch grösser geworden ist. Grund dafür ist der schleichende Zerfall der Arbeitsethik auf den Baustellen. Der Berufsstolz nimmt ab und einzelne Bauleute trachten primär danach, mit ihrer Arbeit möglichst schnell fertig zu werden. Man trägt weder besonders Sorge zur Arbeit der anderen noch kümmert man sich genug um die eigene. Mit all dem muss sich der Bauleiter herumschlagen, und das braucht Zeit: für Kontrollen, Mängelrügen, Anordnungen, etc.

Gesamthaft gesehen ist somit der Rationalisierungseffekt der Informatik bei der Planung eher grösser als bei der Ausführung. Falls also die Informatik der entscheidende Faktor für die Veränderung der Architektenarbeit gewesen wäre, hätte das Gewicht der Planung abnehmen und dasjenige der Ausführung zunehmen müssen; das Gegenteil ist aber eingetreten. – Es muss also noch andere Ursachen geben für die Gewichtungsverschiebung.

 

  • Spekulationen über weitere Ursachen

Die folgende Liste enthält einige mögliche Gründe für die merkwürdige Gewichtungsverschiebung innerhalb der Architektenarbeit zugunsten der Planung und zulasten der Ausführung.

  • kompliziertere architektonische Gestaltung (bis hin zum «Dekonstruktivismus»)
  • mehr Planungsaufwand bezüglich Energie, Akustik, etc.
  • erhöhtes Gewicht der Gesamtleitung
  • aufwendigere Baubewilligungsverfahren
  • mehr und aufwendigere Darstellungen mit CAD (z.B. Animationen)
  • Planung über grosse Distanzen (Reisezeit; Koordinationsaufwand für Planergemeinschaften)

Vielleicht ist das Resultat aber auch teilweise dadurch geprägt, dass die Daten vor allem bei SIA-Mitgliedern erhoben worden sind. Es könnte sein, dass das Gewicht der Planung bei Nicht-SIA-Mitgliedern weniger stark zugenommen hat, weil hier beispielsweise der Hang zum Unikat weniger gross ist. Man greift eher auf vorhandene Grundlagen zurück und spart sich damit viel Konstruktionsaufwand.

 

  • Auswirkungen auf die Bauausführung

Erfahrene Inhaber von Architekturbüros, die sich mit dem Honorarwesen gut auskennen, beurteilen das Ertragspotential der Bauausführung (v.a. der Bauleitung) als bescheiden. Damit lässt sich nicht gross Geld verdienen. Was dagegen rentiert ist die Projektierung. Dies dürfte denn auch einer der Gründe sein, wieso sich heute Architekturbüros vermehrt nur noch als «Planfabriken» betätigen und gar keine Bauleitung mehr anbieten.

Da die Bauausführung mit der neuen LHO SIA 102 (2001) noch schlechter honoriert wird als früher, dürfte dieser Trend in Zukunft vermutlich noch zunehmen.