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Vollständigkeit von Leistungsverzeichnissen

Die Standardisierung der Leistungen der Bauwirtschaft mit Normpositionen ist zweifellos ein sinnvolles Unterfangen. Bemängelt wird aber gelegentlich die starke Aufsplitterung in kleinste Leistungseinheiten. In Deutschland etwa wer-den die Leistungen summarischer beschrieben, ähnlich wie in der Schweiz vor der Einführung des Normpositionen-Katalogs.

Die Herausforderung bei der Erstellung von Leistungsverzeichnissen mit kleinsten Leistungseinheiten besteht primär darin, alle mit der Arbeitsausführung verbundenen Nebenarbeiten zu berücksichtigen. Den Baufachleuten, welche die Leistungsverzeichnisse anfertigen, fehlt dazu aber gelegentlich das tiefe technische Verständnis dafür. Sie sind Bauleiter oder Bautechniker, aber nicht Werkunternehmer. Sie kennen die Arbeitsabläufe in den zu submittierenden Arbeitsgattungen somit nicht bis ins letzte Detail. Als Folge davon können Lücken in den Leistungsverzeichnissen entstehen.

Es gibt Unternehmer, die sind berüchtigt für ihre Beharrlichkeit, mit der sie Nachforderungen stellen bei Leistungsverzeichnissen, die angeblich nicht vollständig sind. Allerdings kommt dies nicht bei allen Arbeitsgattungen gleich häufig vor. Besonders anfällig für Nachforderungen scheinen beispielsweise Gipserarbeiten zu sein, insbesondere bei Sanierungen. Das Feld für nicht berücksichtige Vor-, Neben- und Zusatzarbeiten ist hier offenbar besonders gross. Das Ausmass der Nachforderungen sollte dabei nicht unterschätzt werden. Weiter vorne haben wir ein Beispiel eines kürzlich realisierten Bauprojekts der öffentlichen Hand betrachtet, bei dem die Schlussabrechnung für die Gipserarbeiten eines Sanierungsprojekts mehr als doppelt so hoch gewesen ist wie die Offerteingabe (Liste «Beispiele von Mängeln und Ungenauigkeiten in Leistungsverzeichnissen»; Beispiel a).

Wenn wir nun die Ursachen näher betrachten, die zu Mängeln in Leistungsverzeichnissen führen können, stossen wir auf zwei Hauptursachen: Bei der ersten Ursache geht es um ungenügendes spezifisches Fachwissen der Bauplaner, bei der zweiten um besonders mängelanfällige Bauteile oder Bauaufgaben.

Ursache 1 für Mängel in Leistungsverzeichnissen:
Mangelhaftes spezifisches Fachwissen der Planer

Normalerweise ist der Architekt in seiner Funktion als Gesamtleiter federführend bei der Erstellung der Leistungsverzeichnisse. Um einen Teil der Verzeichnisse kümmert er sich selber, andere werden von Fachplanern erstellt (Gebäudetechnikplaner, Bauingenieur, ev. Fassadenplaner etc.). Zuständig für die Gesamtkoordination und somit alle Schnittstellen ist jedoch das Architekturbüro. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Es sind aber nicht alle Architekturbüros gleich gut geeignet, um für eine mängelfreie Erstellung von detaillierten Leistungsverzeichnissen zu sorgen. Gute Voraussetzungen bestehen bei erfahrenen Universalarchitekten, weniger gute bei eher entwurfsorientierten Architekten.

  • A. Leistungsverzeichnisse von erfahrenen Universalarchitekten

Gemäss meinen Erfahrungen sind besonders diejenigen Architekturbüros gut geeignet, mängelfreie Leistungsverzeichnisse zu erstellen, welche den kommerziellen Aspekten der Bautätigkeit einen hohen Stellenwert beimessen. Es sind erfahrene Universalarchitekten. Gelegentlich werden sie auch als «Geschäftsarchitekten» bezeichnet. Sie bearbeiten immer wieder ähnliche Bauaufgaben, beispielsweise Bürogebäude oder Wohnüberbauungen mit standardisierten Wohnblocks. Im Architekturbüro gibt es mehrere Personen mit Jahrzehnte langer Erfahrung, die auf dem Gebiet der Bauausführung den Gesamtüberblick haben. Hauptsächlich verantwortlich für die Erstellung der Leistungsverzeichnisse ist zwar meist ein erfahrener Bauleiter, aber er hat mehrere kompetente Gesprächspartner, die sich ebenfalls leidenschaftlich für das Thema interessieren. Das können Firmeninhaber oder langjährige leitende Angestellte sein. Man findet immer die Zeit, um in informellen Gesprächen die heiklen Punkte zu besprechen. Aus Dutzenden von Projekten kennen die Wissensträger die kritischen Stellen, bei denen es schon Probleme gegeben hat. Der Umgang mit Schnittstellen ist ihnen bestens vertraut.

  • B. Leistungsverzeichnisse von entwurfsorientierten Architekten

Weniger gut befähigt zur Erstellung mängelfreier Leistungsverzeichnisse ist ein Architekturbüro, das betont auf die Planung ausgerichtet ist und nur in geringem Rahmen eigene Ausführung betreibt. Aufträge holt man nach Möglichkeit durch Wettbewerbserfolge. Bei vielen Projekten kümmert sich entweder ein Generalunternehmer oder ein externer Baumanager um die Bauausführung. Es gibt relativ wenige Projekte, bei denen selber Leistungsverzeichnisse erstellt werden müssen. Es kann sich dabei etwa um eine Parallelsubmission handeln, wo parallel zur normalen Submission von Arbeitsgattungen eine Generalunternehmersubmission durchgeführt wird. Für derartige Aufgaben hat es zwar einen Bauleiter im Büro, dem die Verantwortung für die Erstellung der Leistungsverzeichnisse übertragen werden kann. Er ist möglicherweise durchaus kompetent auf seinem Gebiet, aber er ist weitgehend ein Einzelkämpfer. Sachkundige Gesprächspartner im Architekturbüro findet er nicht so einfach. Vielfach fehlen auch die Zeit und das ehrliche Interesse für informelle Gespräche, denn die Leidenschaft der wichtigsten Wissensträger gilt eindeutig der Entwurfstätigkeit.

Ursache 2 für Mängel in Leistungsverzeichnissen:
Bauarbeiten mit Überraschungspotential

Eine genauere Betrachtung ergibt, dass nicht alle Arbeitsgattungen und Bauaufgaben gleich anfällig sind auf Mängel in Leistungsverzeichnissen: Umbauten und Sanierungen sind wesentlich heikler als Neubauten, und Arbeitsgattungen ausserhalb des Gebäudes (primär Erschliessung und Umgebung) sind anspruchsvoller als das Gebäude selber.

Das Erstellen von Leistungsverzeichnissen ist somit besonders dann fehleranfällig, wenn Bauarbeiten in einem nur unvollständig bekannten Umfeld ausgeführt werden müssen. Bei Sanierungen kann die Beschaffenheit der bestehenden Bausubstanz Überraschungen bergen, bei Umgebungsarbeiten der bauherrenseitig zur Verfügung gestellte Baugrund.

  • (a) Umbauten und Sanierungen

Es ist generell schwieriger, Bauarbeiten an bestehenden Gebäuden durchzuführen als Gebäude komplett neu zu erstellen. Der Zustand der vorhandenen Bausubstanz ist dabei immer ein Unsicherheitsfaktor.

Die Unsicherheiten zeigen sich bereits im Baubeschrieb. Er kann selten so genau formuliert werden wie bei einem Neubau. Es darf daher nicht überraschen, dass alle Unsicherheiten auch in den Leistungsverzeichnissen enthalten sind. Siehe dazu auch den Abschnitt «Risiken bei Umbauten und Sanierungen» im Teil 2 über das Generalunternehmermodell.

  • (b) Grundstücksabhängige Arbeiten

Die Umgebungsarbeiten und die Erschliessung beinhalten Bauarbeiten direkt auf dem Grundstück. Da man nur die Oberfläche des Grundstücks sieht, nicht aber den unterirdischen Zustand, gibt es auch hier immer einen Unsicherheitsfaktor. Beispielsweise werden Leitungen nicht dort gefunden, wo man sie erwartet; oder der Baugrund weist nicht die erwartete Beschaffenheit auf.

Die Leistungsverzeichnisse der grundstücksbezogenen Bauarbeiten wie Umgebung und Erschliessung enthalten daher immer eine gewisse Unsicherheit. Die Mangelhaftigkeit wird dadurch verstärkt, dass die Anforderungen mit den Nachbarn oft noch nicht völlig geklärt sind, Behörden unerwartete Auflagen machen (zum Beispiel zur Versickerung des Meteorwassers) und Weiteres mehr.

Methoden zur Erstellung mängelfreier Leistungsverzeichnisse

Es ist viel wichtiger, Mängel in Leistungsverzeichnissen von vornherein zu vermeiden, als sie nachträglich wieder herauszufiltern. Nehmen wir nun an, eine Bauherrschaft habe Zweifel, ob die für die Aufgabe vorgesehenen Planer der Herausforderung vollumfänglich gewachsen sind, mängelfreie Leistungsverzeichnisse zu erstellen. Es kann sich dabei beispielsweise um ein Architekturbüro handeln, das relativ selten selber Leistungsverzeichnisse erstellt (siehe oben: «B. Leistungsverzeichnisse von entwurfsorientierten Architekten»). Es wird aber darauf verzichtet, die Tätigkeit komplett einer externen Baumanagementfirma zu übertragen.

Die nachstehenden Massnahmen tragen dazu bei – einzeln oder in Kombination miteinander – mängelfreie Leistungsverzeichnisse zu erstellen.

  • (1) Erstellung durch spezialisierten externen Bauplaner

Man findet im Markt Fachleute der Bauausführung, die sich auf die Erstellung von Leistungsverzeichnissen spezialisiert haben. Sie treten beispielsweise als freie Bauleiter auf, die bei Bedarf aber auch nur Tätigkeiten auf dem Gebiet des Submissionswesens anbieten. Teilweise pflegen sie untereinander auch einen Wissensaustausch, indem sie ihre Erfahrungen gezielt einander weitergeben. Unter dieser Voraussetzung darf man erwarten, dass auch ein sehr anspruchsvolles Leistungsverzeichnis in der nötigen Qualität hergestellt werden kann.

Wenn die Erstellung eines Teils oder der Gesamtheit der Leistungsverzeichnisse vom Hauptauftrag des Architekten abgespalten und an einen externen Subauftragnehmer (z.B. selbständigen Baukostenplaner) übertragen wird, führt dies nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Gesamthonorar. Die Leistungen des Architekten werden nämlich nicht vergrössert, sondern nur auf mehrere Stellen aufgeteilt.

  • (2) Erstellung durch Werkunternehmer

In Einzelfällen kann die Erstellung eines komplizierten Leistungsverzeichnisses auch einem Werkunternehmer übertragen werden. Grundsätzlich empfehle ich zwar eine strikte Trennung zwischen Bauplanung und Bauausführung: Wer plant, führt nicht aus, und umgekehrt. Es kann aber Fälle geben, in denen man von diesem Prinzip abweichen darf. Ein Beispiel sind die weiter vorne bereits angesprochenen Gipserarbeiten bei einem anspruchsvollen Bauvorhaben: Wer ist besser geeignet als ein Gipserunternehmer, für ein sehr komplexes Sanierungsprojekt das Gipserdevis zu erstellen?

Folgende Bedingungen sollten aus meiner Sicht aber erfüllt sein, damit dieses Vorgehen in Betracht gezogen werden kann: Der Werkunternehmer wird für die Erstellung des Leistungsverzeichnisses korrekt bezahlt, und die Mengenermittlung (Vorausmass) wird auch für Dritte gut nachvollziehbar dokumentiert. Nützlich ist aus meiner Sicht zudem eine schriftliche Erklärung des Werkunternehmers, dass es sich beim Leistungsverzeichnis um ein Qualitätsprodukt handelt und nicht um eine Dienstleistung aus Gefälligkeit (siehe nachfolgende Ausführungen).

  • (3) Leistungsverzeichnis aus Gefälligkeit kritisch beurteilen

Besondere Vorsicht ist geboten bei Leistungsverzeichnissen, die von Werkunternehmern, die mit dem Architekten aus langjährigen Geschäftsbeziehungen freundschaftlich verbunden sind, aus Gefälligkeit erstellt werden. Oft ist die Gefälligkeit kostenlos, manchmal wird eine geringe Entschädigung ausgerichtet. Das Problem bei Leistungsverzeichnissen aus Gefälligkeit ist, dass man an kostenlos erbrachte Dienstleistungen auch keine hohen Erwartungen stellen darf.

Ein Beispiel ist ein Leistungsverzeichnis für Tiefbauarbeiten im Bereich der Umgebungsgestaltung (Strassen und Plätze), das von einem befreundeten Werkunternehmer für ein Architekturbüro erstellt worden ist. Da der Aufwand zur Dokumentation der Vorausmasse minimal gewesen ist, haben die Ergebnisse kaum nachvollzogen werden können. Das Leistungsverzeichnis ist somit nur sehr eingeschränkt überprüfbar gewesen.

Vermutlich wäre es sinnvoller gewesen, einem entsprechend qualifizierten Planer (zum Beispiel einem Bauingenieur) die Erstellung des betreffenden Leistungsverzeichnisses im Auftragsverhältnis zu übertragen.

  • (4) Gesamtverantwortung regeln

Die Verantwortung für die Koordination aller Aktivitäten auf dem Gebiet der Erstellung der Leistungsverzeichnisse muss klar geregelt sein. Diese koordinierende Stelle stellt sicher, dass die vorgesehenen Bauarbeiten konsistent in alle Leistungsverzeichnisse einfliessen. Dazu gehören auch die Leistungsverzeichnisse der Spezialisten (Fachplaner) sowie allenfalls von Unterauftragnehmern (Divisierungsspezialisten) oder Werkunternehmern erstellte Leistungsverzeichnisse. – Es geht dabei etwa um Aspekte wie die folgenden: Wird der Baubeschrieb richtig verstanden? Sind die vorgesehenen Bauprovisorien bei einem Umbauprojekt bei allen betroffenen Arbeitsgattungen berücksichtigt? Sind die Abbrüche überall enthalten und richtig interpretiert? Werden die Ausschreibungspläne korrekt gelesen, beispielsweise beim Erstellen der Leistungsverzeichnisse für die Sanierung eines historischen Dachstuhls in Holzkonstruktion?

Leistungsverzeichnisse gut überprüfbar konzipieren

Im Hinblick auf eine spätere Überprüfung ist es nötig, dass der Massenauszug nachvollziehbar dokumentiert wird. In der Praxis ist dies aber nicht der Normalfall. Man trifft immer wieder auf Leistungsverzeichnisse, die schlecht dokumentiert sind und kaum überprüft werden können. Beim oben genannten Leistungsverzeichnis aus dem Gebiet der Umgebungsgestaltung (Nummer 3) beispielsweise hat der Bauleiter während der ganzen Bauausführung bis zur Bauabrechnung nicht herausgefunden, auf welche Weise die Vorausmasse ermittelt worden sind.

Siehe dazu auch die Ausführungen zum Thema «Garantie für die Mängelfreiheit der Leistungsverzeichnisse» im Teil 2 über das Generalunternehmerwesen.