Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Buch bestellen Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

Umfang der Bauausführung

In der Einleitung haben wir uns bereits mit der SIA-Honorarordnung 102 für Architekten befasst, welche die übliche Abfolge eines Bauprojekts beschreibt. Gemäss dieser Ordnung besteht ein Projekt aus Phasen, insbesondere aus den Phasen 3 «Projektierung», 4 «Ausschreibung» und 5 «Realisierung». Die Phasen wiederum sind in Teilphasen unterteilt. Siehe dazu die Leistungstabelle (Art. 7.9 SIA 102).

Wir ziehen nun diese Ordnung wieder heran, um den Umfang der Bauausführung bei einem Bauvorhaben darzustellen. Grundsätzlich umfasst die Bauausführung die Phasen 4 «Ausschreibung» und 5 «Realisierung», mit den entsprechenden Teilphasen (siehe nachfolgende Abbildung).

Umfang der Bauausführung
gemäss Leistungstabelle in SIA-Honorarordnung 102 (Art. 7.9 SIA 102; Ausgabe 2003)

Tabelle durch Autor gekürzt und verändert; siehe dazu auch den Kommentar zur Leistungstabelle in Kapitel 1

Teilphase 4.41: Ausschreibung, Offertvergleich, Vergabeantrag

Nach der Einreichung des Baugesuchs beginnt das Baubewilligungsverfahren zu laufen und die Bauherrschaft muss normalerweise einige Monate warten, bis sie die Baubewilligung erhält. In dieser Zeit treffen die Bauplaner die nötigen Vorbereitungen, um anschliessend kurzfristig mit den Bauarbeiten anfangen zu können. Sie zeichnen die Ausschreibungspläne, erstellen die Ausschreibungsunterlagen und holen Angebote ein.

  • Ausschreibungspläne

Dieser erste Leistungsbereich im Rahmen der Bauausführung beinhaltet mit 10% einen recht grossen Teil der Architektenleistung. Ziel des Leistungsbereichs ist es, in nützlicher Frist Planunterlagen für die Ausschreibung zu erhalten, ohne auf fertige Pläne warten zu müssen. Die Pläne werden daher zuerst provisorisch angefertigt. Früher hat man sich darunter feine Bleistiftpläne vorstellen müssen (sogenannte Aufrisse), die später mit Tusche sorgfältig nachgezeichnet worden sind. Bei der heutigen Planerstellung mit CAD sehen schon provisorische Ausschreibungspläne erstaunlich fertig aus.

Kernstück der Ausschreibungspläne sind die Werkpläne (Grundrisse und Schnitte im Massstab 1:50). Diese weisen einen deutlich höheren Informationsgehalt auf als die Pläne für die Baueingabe im Rahmen des Bauprojekts (meist 1:100). Die Werkpläne sind also nicht bloss vergrösserte Projektpläne. Zu den Ausschreibungsplänen gehören auch Detailpläne, sofern sie für die Ausschreibungen nötig sind (Fassadenschnitte, Konstruktionspläne von Holzdächern, Küchenpläne etc.).

An der Entstehung der Ausschreibungspläne sind auch die Fachplaner beteiligt. Ihre Beiträge werden vom Architekten koordiniert. Der Architekt leitet insbesondere die Koordination der Installationspläne.

  • Ausschreibung und Vergabe

Inhalt dieses Leistungsbereichs (8% der Gesamtleistung) ist das Offertwesen. Ausgangspunkt ist das Konstruktions- und Materialkonzept (oft als Baubeschrieb bezeichnet), das für alle Arbeitsgattungen Materialien und Qualitätsmerkmale definiert. Aus der Bauprojektphase gibt es dazu bereits eine provisorische Version. Diese muss im Hinblick auf die Ausschreibung nochmals konkretisiert und vervollständigt werden.

Jetzt können pro Arbeitsgattung die eigentlichen Unterlagen für die Ausschreibung erstellt werden. Die Pflichtenhefte mit den Preisangabeformularen sind in der Praxis etwa unter dem Begriff «Devis» bekannt. Zusammen mit der Bauherrschaft wird ein Kreis von Unternehmern und Lieferanten bestimmt, der zur Ausarbeitung von Angeboten eingeladen werden soll.

Die eingegangenen Angebote werden zunächst materiell und rechnerisch kontrolliert. Dann werden sie miteinander verglichen, wobei neben dem Preis auch Kriterien wie Qualität, Sicherheiten und Termin eine Rolle spielen. In der Regel führt der Architekt mit den Unternehmern und Lieferanten (gelegentlich nur telefonische) Verhandlungen. Falls Unternehmervarianten vorliegen, werden diese analysiert. Die bereinigten Angebote werden anschliessend dem Auftraggeber in Form einer Vergleichszusammenstellung (Offertvergleich) präsentiert. Der Architekt erstellt zudem einen Antrag, an wen die Arbeit zu vergeben sei (Vergabeantrag). In die Angebote, die von den Fachplanern betreut werden (Gebäudetechnik), nimmt der Architekt nur Einsicht. Allenfalls gibt er eine Stellungnahme zu deren Vergabeanträgen ab.

Als besonders zu vereinbarende Leistung gilt (unter anderem) das Erstellen eines definitiven detaillierten Beschriebs aller Materialien und Konstruktionen (z.B. Raumblätter), insbesondere im Hinblick auf Pauschal- oder Globalvergaben. Dieses Dokument wird für die Generalunternehmersubmission verwendet.

  • Weitere Leistungen

Weitere Leistungen in dieser Teilphase betreffen den Kostenvoranschlag und den Terminplan. Diese Dokumente sind bereits in der Planungsphase erstellt worden (siehe Teilphase 4.32 «Bauprojekt»).

Beim Kostenvoranschlag liegen zum Zeitpunkt des Baubeschlusses für diverse Arbeitsgattungen bereits Angebote vor. Die Kostensicherheit für das Gesamtprojekt wird nun deutlich besser. Der Kostenvoranschlag wird zu einer Baukostenüberwachung mit zusätzlichen Spalten ausgebaut. Wir sind bereits weiter vorne auf dieses Instrument der Kostenplanung gestossen (Kostenvoranschlag zum Zeitpunkt Baubeschluss; revidierter Kostenvoranschlag). Die Spalte «Kostenvoranschlag» wird meist unverändert belassen. Die zusätzlichen Kostenerkenntnisse aufgrund der Angebote werden in der neu eingefügten Spalte «Prognose» abgebildet. Die Genauigkeit der Kostenaussage der Spalte «Prognose» ist besser als der ursprüngliche Kostenvoranschlag aus der Teilphase 4.32, welcher noch nicht auf Marktpreisen beruht hat.

Der Terminplan wird ebenfalls weiterentwickelt. Der bisherige generelle Zeitplan aus der Bauprojektphase wird unter Mitwirkung der Fachplaner und in Absprache mit den Unternehmern und Lieferanten bereinigt und verfeinert. Die festgelegten Ausführungs- und Liefertermine werden in die Werkverträge übernommen.

Teilphase 4.51: Ausführungsplanung

Der weitaus grösste Teil der Ausführungsplanung besteht aus dem Erstellen der Ausführungspläne. Eine weitere Leistung in dieser Teilphase beinhaltet das Ausfertigen der Werkverträge.

  • Ausführungspläne

Der Leistungsbereich der Ausführungspläne umfasst 15% der gesamten Architektenleistung. Es geht hier darum, die Ausschreibungspläne aus der Teilphase 4.41 zu fertigen Ausführungsplänen weiter zu bearbeiten. Zu den Ausführungsplänen gehören Werk- und Detailpläne aller Art, die auf der Baustelle, in Werkstätten oder bei Lieferanten benötigt werden (z.B. Grundrisse, Schalungspläne, Eisenlisten, Detailzeichnung von Einzelbauteilen etc.). Ausführungsspezifikationen (von Konstruktionen, Materialien, Apparaten etc.) werden endgültig festgelegt, architektonische und konstruktive Details bereinigt. Der Architekt koordiniert die gesamte Ausführungsplanung und leitet die Tätigkeit von Fachplanern, Unternehmern und Lieferanten. Er kontrolliert Pläne, die von Dritten erstellt worden sind, und überprüft, ob sie mit den Architektenplänen übereinstimmen. Er ist besorgt, dass die Koordinations- und Aussparungspläne nachgeführt werden und leitet die Koordination der Installationspläne.

  • Werkverträge

Dieser kleine Leistungsbereich umfasst nur 1% der Architektenleistung. Sobald die Bauherrschaft Arbeiten oder Lieferungen vergeben hat, erstellt der Architekt aufgrund der bereinigten Angebote und allfälliger zusätzlicher Vereinbarungen die Werkverträge mit den Unternehmern und Lieferanten. Die Werkverträge aus dem Leistungsbereich der Spezialisten (Fachplaner) werden von ihm nur durchgesehen und allenfalls ergänzt.

Teilphase 4.52: Ausführung

Die zentrale Leistung im Rahmen der Ausführung ist die Bauleitung einschliesslich der Kostenkontrolle. Sie wird ergänzt durch die gestalterische Leitung.

  • Gestalterische Leitung

Dieser Leistungsbereich wird ziemlich gut honoriert (6% der Architektenarbeit), aber vielen Akteuren der Bauwirtschaft (auch dem Autor) ist nicht so recht klar, was er eigentlich beinhaltet. Vermutlich werden mit ihm vor allem die Baustellenbesuche des Entwurfsarchitekten oder Projektleiters abgegolten. Grundsätzlich geht es bei der gestalterischen Leitung nämlich primär darum, die Ausführung im Hinblick auf die Übereinstimmung mit dem gestalterischen Konzept zu überprüfen, in den Ausführungsunterlagen nicht festlegbare Gestaltungselemente anzugeben und Bemusterungen zu veranlassen. Eine weitere Grundleistung ist ferner die Beratung des Auftraggebers bezüglich Mobiliar und Einrichtungen. – Interessanterweise gilt aber die Mitwirkung des Architekten bei anderen Gestaltern (Künstler, Innenarchitekten etc.) als besonders zu vereinbarende Leistung.

  • Bauleitung und Kostenkontrolle

Diese Leistungsbereiche beinhalten 23% der gesamten Architektenleistung. Nachfolgend gehen wir auf die wichtigsten Grundleistungen gemäss Leistungsbeschrieb ein.

Hauptaufgabe der Bauleitung ist die Leitung und Überwachung der Arbeiten auf der Baustelle. Dazu gehören vielfältige Kontrollen (Werkstattkontrollen, Kontrolle von Materialien und Lieferungen). Bei den Leistungen im Fest-preis werden die effektiven Mengen ermittelt (Ausmassarbeiten). Leistungen nach Aufwand (Regiearbeiten) werden bei Bedarf angeordnet und kontrolliert (inkl. Kontrolle der Regierapporte). Der Arbeitsfortschritt wird dokumentiert (Protokolle der Bauplatzsitzungen; Baujournal). Ein besonderes Augenmerk gilt den nachträglich nicht mehr kontrollierbaren Arbeiten. Es wird dafür gesorgt, dass die behördlichen Auflagen und Kontrollen eingehalten werden. Periodisch werden Standberichte erstellt.

Bei der Kostenkontrolle geht es um alle Aspekte des Kostenwesens im Rahmen der Bauausführung. Die eingehenden Rechnungen aller Werkunternehmer (Akontorechnungen, Schlussrechnung, Regierechnungen) werden geprüft, anschliessend werden Zahlungsanweisungen erstellt. Die Baubuchhaltung wird laufend aktualisiert, und periodisch werden Rapporte angefertigt. Im Rahmen des Abschlusses der Unternehmerrechnungen werden die vereinbarten Garantien eingeholt. Zudem wird eine Liste der Garantieverfalldaten erstellt.

Teilphase 4.53: Inbetriebnahme, Abschluss

Die Teilphase der Inbetriebnahme und des Abschlusses findet statt, wenn die Bauarbeiten zum grössten Teil erbracht sind. Sie endet mit dem Ablauf der Garantiefrist (zwei Jahre nach der letzten Abnahme). Gesamthaft gesehen macht diese Teilphase 4.5% der Architektenleistung aus.

  • Inbetriebnahme

Dieser kleine Leistungsbereich (1% der Architektenleistung) hat eine etwas irreführende Bezeichnung, denn hier geht es primär um die Abnahme der Bauwerksteile. Der abzunehmende Teil eines Bauwerks (oft eine Arbeitsgattung; bei Teilabnahmen auch Teile einer Arbeitsgattung) wird von der Bauleitung zusammen mit dem entsprechenden Unternehmer geprüft, wobei allenfalls auch Fachplaner an der Prüfung teilnehmen. Pro Bauwerksteil wird zusammen mit dem Abnahmeprotokoll eine Mängelliste erstellt, wobei für die einzelnen Mängel Massnahmen und Fristen zur Behebung festgehalten werden.

Mich persönlich irritiert der Begriff der Inbetriebnahme für diesen Leistungsbereich (der im Zusammenhang mit der Revision der SIA-Honorarordnungen 102 ff. im Jahre 2001 eingeführt worden ist), denn viele Bauwerksteile (Beispiele: Aufzug; Heizung) müssen nämlich vorher in Betrieb genommen worden sein, damit man sie überhaupt abnehmen kann. Ich hätte den Begriff der Abnahme vorgezogen.

  • Dokumentation über das Bauwerk

Dieser Leistungsbereich (1% der Architektenleistung) beinhaltet das Zusammenstellen eines Dossiers mit Unterlagen, die für den Betrieb und den Unterhalt des Bauwerks notwendig sind. Dazu gehören Baupläne mit nachgeführten Änderungen (sogenannte Revisionspläne) sowie Unterlagen aller Art für Gebrauch und Wartung (Schemapläne, Gebrauchsanweisungen, Serviceinstruktionen etc.).

Nach meinen Erfahrungen ist es üblich, dass die Revisionspläne der Bauherrschaft in digitaler Form überreicht werden. Eine andere Praxis ist mir im heutigen Planungsalltag gar nicht bekannt. Im Rahmen des modernen Facility Managements wird das Gebäude nämlich in digitaler Form bewirtschaftet, sei es für Reparaturen, den laufenden Unterhalt und Anpassungen. – Es erstaunt darum schon etwas, dass die Abgabe der Pläne in digitaler Form für den SIA nicht als Normalfall betrachtet wird (TEC 21, Nr. 46 vom 11. Nov. 2011, Seite 27): «Weil das Verwendungs- sowie das Änderungsrecht vermögensrechtlicher Art sind, können Planer und Planerinnen für die Abgabe digitaler Pläne eine Abgeltung zusätzlich zum Honorar verlangen». Falls die Bauherrschaft den Planungsvertrag für die Bauausführung noch nicht abgeschlossen hat, sollte sie aus meiner Sicht daher anstreben, dass die Abgabe digitaler Pläne im Honorar eingeschlossen ist und nicht zusätzlich honoriert werden muss.

  • Leitung der Garantiearbeiten

Dieser Leistungsbereich (1.5% der Architektenleistung) beinhaltet den Aufwand des Architekten während der zweijährigen Rügefrist (Garantiefrist). Ziel ist die Behebung aller Mängel, die bis zur Garantieabnahme (Schlussabnahme) des Bauwerks auftreten. Die Grundleistungen umfassen das Auflisten und Nachführen von Mängeln, die innerhalb der zweijährigen Rügefrist auftreten, das Aufbieten der Unternehmer und Lieferanten zur Mängelbehebung sowie die Überwachung ihrer Arbeiten. Im Weiteren gehören das Erstellen der Schlussabnahmeprotokolle sowie die Beanspruchung oder Freigabe der Bankgarantien dazu. – Als besonders zu vereinbarende Leistungen gelten (unter anderem) Leistungen des Architekten nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist sowie Leistungen im Falle von Konkursen oder Prozessen mit Dritten.

  • Schlussabrechnung

Bei diesem letzten Leistungsbereich (1% der Architektenleistung) geht es darum, eine Abrechnung der Gesamtkosten des Bauwerks zu erstellen. Die Grundleistungen umfassen das Aufstellen, Nachprüfen und Bereinigen der Schlussabrechnung sowie die Gegenüberstellung mit dem Kostenvoranschlag. Weiter enthalten ist das Bestimmen von Kennwerten, die sich aus den Gesamtkosten des Bauwerks ergeben.