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Vom Vorprojekt zur Baueingabe

Die Planungsphase ist nicht so einfach von der Realisierungsphase zu trennen, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Geplant wird nämlich teilweise noch lange während der Bauausführung. Ein Ausführungsplan für eine Deckenverkleidung beispielsweise kann durchaus auch dann noch erstellt werden, wenn am Rohbau bereits intensiv gearbeitet wird.

In den SIA-Honorarordnungen 102 ff. markiert der Kostenvoranschlag den Abschluss der Planungsphase. In der Vergangenheit ist es üblich gewesen, dass erst mit dem Kostenvoranschlag und somit nach der Baueingabe die Kosten einigermassen zuverlässig haben ermittelt werden können. Heute jedoch setzen sich zunehmend neue Methoden der Kostenplanung durch, mit denen die Kosten bereits vor der Baueingabe genügend genau abgeschätzt werden (siehe Kapitel 10). Die Folge davon ist, dass der Kostenvoranschlag zeitlich nach hinten verschoben wird. Meines Erachtens wäre es daher zulässig, ihn nicht mehr als Instrument der Planung zu betrachten, sondern als Instrument der Bauausführung.

Abgesehen von dieser nicht allzu bedeutenden Streifrage über die Stellung des Kostenvoranschlages ist klar, dass die Baueingabe die entscheidende Zäsur ist, die die Planung von der Ausführung trennt. Mit eingereichter Baueingabe ist das Projekt juristisch weitgehend verbindlich geplant. Grössere Aenderungen sind nun nicht mehr so ohne weiteres möglich.

Im folgenden betrachten wir die typischen Aufgaben des Architekten in der Planungsphase näher. Wir halten uns dabei an die nach wie vor sehr verbreitete SIA-Honorarordnung 102. Auf andere SIA-Ordnungen gehen wir nicht weiter ein, welche die parallel dazu ablaufenden Tätigkeiten der Spezialisten (Planer für Statik und Haustechnik) regeln. Gemäss der SIA-Honorarordnung 102 ist die Planungsphase weiter unterteilt in die Vorprojekt- und die Projektphase.

In Absprache mit dem SIA verzichten wir darauf, längere Abschnitte aus dem Leistungsbeschrieb (Art. 4 SIA 102) wörtlich zu zitieren, da es nicht ausgeschlossen ist, dass sich dieser im Laufe der Zeit ändert. Bei Vertragsverhandlungen ist also die jeweils gültige Fassung der SIA-Honorarordnung 102 (Architekten) zu konsultieren.

Die Gewichtung der einzelnen Teilleistungen im Rahmen des Gesamtleistung des Architekten ist in der Leistungstabelle aufgeführt (siehe Abschnitt «Die Honorarberechnung im Kostentarif» im Kapitel 8).

Phase 1: Die Vorprojektphase

Die Vorprojektphase ist die eigentlich kreative Phase bei der Planung. Das Raumprogramm wird in einem anspruchsvollen Prozess in eine bauliche Lösung in Rohfassung umgesetzt. Unter der Leitung des Architekten ist das ganze Planungsteam daran beteiligt.

 

  • Problemanalyse

Die erste Teilleistung ist die Problemanalyse (Art. 4.1.1 SIA 102). Der Architekt macht sich mit den Absichten des Auftraggebers vertraut und sammelt die notwendigen Arbeitsunterlagen (Raumprogramm etc.). Er schätzt grob ab, ob das gewünschte Programm auf dem vorgesehenen Grundstück realisierbar ist. Dabei berücksichtigt er Randbedingungen aller Art (Gesetze, Servitute etc.). Im weiteren schlägt er dem Auftraggeber vor, welche zusätzlichen Planer beigezogen werden sollen (Bauingenieur, Haustechnikplaner etc.).

Das Pflichtenheft ist die Vorgabe der Bauherrschaft für die Projektentwicklung. Seine Erarbeitung ist keine Grundleistung des Architekten. Er ist zu entschädigen, wenn er an Teilen davon mitarbeitet (Raumprogramm, Betriebsanalysen, Investitionsrechnungen, Marktabklärungen und dergleichen mehr). Ebenfalls separat zu bezahlen sind Gelände- und Gebäudeaufnahmen, die recht aufwendig sein können.

 

  • Studium von Lösungsmöglichkeiten

In dieser nächsten Teilleistung (Art. 4.1.2 SIA 102) geht es darum, verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und sich allmählich an die beste heranzutasten. Der Architekt zeichnet «eine oder mehrere» Varianten in Skizzenform auf. Die zentralen Arbeitsmittel dafür sind traditionellerweise transparentes Skizzenpapier und weiche, dicke Bleistifte. Möglicherweise wird auch ein Arbeitsmodell erstellt, beispielsweise mit Plastilin oder Karton.

Für die Baukosten der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten wird nur die Grössenordnung geschätzt. Die Schwankungsbreite der Kostenaussage wird nicht explizit angegeben, die Ungenauigkeit dürfte aber +/- 30% und mehr betragen. Basis der Kostenermittlung sind meistens kubische Berechnungen oder Flächenberechnungen, die nach den einschlägigen Normen erstellt werden (siehe Abschnitt «Die kubische Berechnung»).

Wenn sich Architekt und Bauherrschaft auf eine Lösungsmöglichkeit einigen können, wird die nächste Teilleistung in Angriff genommen: das Vorprojekt.

 

  • Vorprojekt

Bei dieser Teilleistung (Art. 4.1.3 SIA 102) wird die ausgewählte skizzenartige Lösungsmöglichkeit zu einem vollständigen Vorprojekt weiterbearbeitet. Der Architekt berücksichtigt dabei die Vorschläge der beigezogenen Spezialisten und Berater sowie die behördlichen Auflagen. Der Massstab für die Pläne wird nicht angegeben, üblich sind jedoch 1:200 oder 1:100.

 

  • Grobschätzung der Baukosten und Termine

Mit der letzten Teilleistung der Vorprojektphase (Art. 4.1.4 SIA 102) werden die Unterlagen zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Vorprojekts bereitgestellt. Die Kostenaussage ist gegenüber der Teilleistung «Studium von Lösungsmöglichkeiten» schon etwas genauer (angegeben werden +/- 25%). Basis der Kostenermittlung sind weiterhin vorwiegend kubische Berechnungen oder Flächenberechnungen, eventuell auch andere grobe Erfahrungswerte. In der Grundleistung enthalten ist im weiteren das Aufstellen eines generellen Zeitplanes für das Bauvorhaben. Als Zusatzleistung gelten weitergehende Kostenberechnungen, insbesondere der Vergleich der Baukosten von Varianten.

Phase 2: Die Projektphase

Während der Projektphase wird das Vorprojekt zu einem bewilligungsfähigen Baueingabeprojekt weiterentwickelt. Diese Phase der Verfeinerung beinhaltet im Gegensatz zur Vorprojektphase eher routinemässige Tätigkeiten.

 

  • Bauprojekt

Die Teilleistung «Bauprojekt» (Art. 4.2.1 SIA 102) ist recht umfangreich und beinhaltet einen erheblichen Anteil des Architektenhonorars. Das wichtigste Resultat ist ein vollständiger Plansatz, der als Grundlage für das Baugesuch verwendet werden kann. Der Massstab wird nicht angegeben, häufig ist jedoch von den Behörden 1:100 vorgeschrieben.

Am Bauprojekt wirken alle beteiligten Planer mit. Der Architekt koordiniert als Gesamtleiter deren Tätigkeit und berücksichtigt ihre Vorschläge im Projekt. Zusammen mit den Haustechnikplanern werden beispielsweise Lage und Grösse von technischen Zentralen festgelegt. Die Zusammenarbeit kann aber weit über solche elementare Fragen hinausgehen. So ist es denkbar, dass eine energietechnisch optimale Fassade von Architekt und Haustechnikplanern gemeinsam konzipiert wird. - Der Bauingenieur ist ein weiterer Spezialist, der das Bauprojekt wesentlich mitprägt. Er entwirft das Tragwerk und ermittelt die ungefähren Dimensionen. Dadurch können beispielsweise die Höhe von Unterzügen oder die Lage von Aussteifungen bereits im Bauprojekt angeben werden.

Nicht vergessen darf man die diversen Behörden und technischen Amtsstellen, die im verborgenen eifrig mitplanen. Auch sie muss der Architekt koordinieren. Ihre Forderungen können auf den verschiedensten Gebieten (Brandschutz, Fabrikgesetz, Parkplätze, Schutzräume und vieles weitere mehr) ausgesprochen einschneidend sein.

 

  • Schätzung der Baukosten und Termine

Diese Teilleistung (Art. 4.2.2 SIA 102) unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der entsprechenden Teilleistung aus der Vorprojektphase (Art. 4.1.4 SIA 102). Die Kostenermittlung ist lediglich etwas präziser. Für die Genauigkeit werden +/- 20% angegeben. Instrumente sind nach wie vor die kubische Berechnung und ähnliche summarische Methoden. In die Berechnungen einbezogen sind die Kostenschätzungen von Spezialisten und Beratern aus ihren Leistungsbereichen. Die Elementmethode als modernes Instrument der Kostenplanung wird nicht erwähnt (siehe Abschnitt «Kostenermittlung nach Bauteilen / Elementmethode»).

 

  • Baubewilligungsverfahren

Ziel dieser relativ kleinen Teilleistung (Art. 4.2.3 SIA 102) ist das Erlangen der Baubewilligung. Die Teilleistung beinhaltet das Zusammenstellen des kompletten Dossiers, das für die Eingabe nötig ist (mit Plänen, Formularen, Berechnungen etc.). Darunter fallen unterschiedliche Detailgesuche, etwa für Oeltanks, Schutzräume und Lifte. Gesuche, die von den Spezialisten eingereicht werden, koordiniert der Architekt. Weitere Tätigkeiten sind Verhandlungen mit den Behörden einschliesslich Projektanpassungen aufgrund von behördlichen Anforderungen.

 

  • Detailstudien

Diese Teilleistung (Art. 4.2.4 SIA 102) ist eine wichtige Vorstufe für den anschliessenden Kostenvoranschlag. Sie beinhaltet das Festlegen von Qualitäten und Materialien aller Art in Absprache mit dem Auftraggeber. Für wichtige Bauteile werden zudem skizzenhafte Detailpläne erstellt, aus denen die technische und architektonische Lösung hervorgeht.

Ein unscheinbares, aber typisches Beispiel einer Detailskizze kann die Dachrinne bei einem konventionellen Satteldach betreffen. Die Finessen der Konstruktion zeigen sich erst in einer recht grossen Schnittzeichnung (Massstab 1:1 oder 1:5). Aus ihr geht unter anderem hervor, wie die Unterkonstruktion des Zimmermanns beschaffen sein muss, wie die Rinne befestigt wird und welche Abwicklung die verwendeten Bleche haben. Derartige Informationen sind nötig, um beispielsweise die Kosten der Spenglerarbeiten seriös zu ermitteln.

Als Zusatzleistung gilt das Erstellen eines detaillierten Material- und Konstruktionsbeschriebes (beispielsweise in Form von Raumblättern) als Arbeitsunterlage für Dritte. Ein solches Dokument wird etwa für Generalunternehmerausschreibungen benötigt.

 

  • Kostenvoranschlag

Mit der Teilleistung «Kostenvoranschlag» (Art. 4.2.5 SIA 102) wird eine solide Grundlage für die Beurteilung der Kosten geschaffen. Der Kostenvoranschlag (siehe auch Abschnitt «Kostenermittlung nach Arbeitsgattungen / Kostenvoranschlag») basiert auf dem Baubeschrieb, einer detaillierten Beschreibung der vorgesehenen Arbeiten und Lieferungen. Für alle wesentlichen Positionen werden die benötigten Mengen (Ausmasse) ermittelt.

Betrachten wir dazu nochmals das oben angeführte Beispiel mit der Dachrinne. Massgebend für den Preis der Rinne ist zunächst das gewählte Material, beispielsweise Kupfer. Der Preis ergibt sich aus der Länge der Rinne (dem Ausmass) und dem geschätzten Einheitspreis (in Fr. pro Laufmeter) für die vorgesehene Ausführungsart. Dazu kommen noch diverse Zuschläge, etwa für den seitlichen Abschluss.

Der Architekt kann vermutlich nicht bei allen Positionen die Preise selber genügend genau abschätzen. In diesen recht häufigen Fällen holt er bei Unternehmern und Lieferanten Richtofferten ein.

Der Kostenvoranschlag ist in der Regel nach dem sogenannten Baukostenplan (BKP) gegliedert. Der Genauigkeitsgrad beträgt +/- 10%, sofern nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird. Er ist zusammen mit den Beträgen für Unvorhergesehenes anzugeben. Im Kostenvoranschlag des Architekten berücksichtigt sind die (Teil)-Kostenvoranschläge der Spezialisten (beispielsweise für die Installationen).

In den Grundleistungen enthalten ist das Nachführen des generellen Zeitplanes für das Bauvorhaben. Als Zusatzleistungen gelten jedoch unter anderem Schätzungen von Betriebs- und Unterhaltskosten sowie Baukostenvergleiche von grundsätzlich verschiedenen Konstruktionsarten.