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Das Spektrum der Möglichkeiten

In diesem einleitenden Abschnitt stellen wir die hauptsächlichen Möglichkeiten, wie Bauprojekte abgewickelt werden können, in den Grundzügen dar. Die Realisierungsmodelle unterscheiden sich in erster Linie dadurch, ob die Planung völlig unabhängig ist von der Ausführung (traditionelles Architektenverfahren) oder mit ihr gekoppelt (bauliche Gesamtleistungen).

Das traditionelle Verfahren (Architektenverfahren)

Wie traditionell gebaut wird, weiss jeder ungefähr. Man wählt einen Architekten aus und erteilt ihm einen Planungsauftrag. Ein Auftrag ist ein Vertrauensverhältnis, das verpflichtet. Der Auftraggeber darf erwarten, dass der Beauftragte ausschliesslich in seinem Interesse handelt. Das Bauen mit unabhängigen Planern, die als Treuhänder den Bauherrn vertreten, kennt eine lange Tradition. Der weitaus grösste Teil aller Bauvorhaben des Hochbaus in der Schweiz wird so geplant. Auch die meisten der ganz grossen Tiefbauvorhaben (Bahn 2000, NEAT, Autobahnen) beruhen auf unabhängiger Planung. Allerdings sind hier (unabhängige) Bauingenieure und nicht Architekten die massgeblichen Treuhänder des Bauherrn.

Das charakteristische Merkmal des traditionellen Verfahrens ist die strikte Trennung der Planung von der Ausführung. Als Treuhänder des Bauherrn sorgen die Planer dafür, dass beim Einkaufen der Leistungen für die Bauausführung der Markt möglichst gut spielt. Die Planer sind denn auch schon als «Marktveranstalter» bezeichnet worden. Durch ihre nicht interessengebundene Spezifizierung und Ausschreibung von Bauleistungen bringen sie den Markt in Schwung. Sie glauben, dass nur mit neutral erstellten Plänen und Ausschreibungsunterlagen im stark aufgesplitterten Baumarkt mit seinen unzähligen Anbietern ein richtiger Wettbewerb und somit günstige Preise möglich seien.

Weil die Planer selber nicht ausführen, können keine Interessenkonflikte zwischen Planung und Ausführung entstehen. Die unabhängigen Planer (Architekten und Ingenieure) haben zu keinem Zeitpunkt zwei Hüte an. Sie sind der Meinung, dass ihre Methode die effizienteste Art des Bauens sei.

 

  • Einzelunternehmer oder Generalunternehmer?

Beim traditionellen Verfahren mit unabhängiger Planung gibt es zwei Möglichkeiten für die Beschaffung der Bauleistungen: Ausführungsleistungen können einzeln eingekauft werden (meist nach Arbeitsgattungen), aber auch als Gesamtpaket in nur einem Werkvertrag.

Die Ausschreibung von Arbeitsgattungen ist die absolut häufigste Einkaufsmethode im Bauwesen. Die gesamte Bauwirtschaft ist nach Arbeitsgattungen organisiert. Etwas vereinfacht gesagt ist jeder Handwerker (Baumeister, Zimmermann, Maler, Elektriker etc.) für eine Arbeitsgattung zuständig. Das Gegenstück dazu ist die Ausschreibung von ganzen Bauwerken. Teilnehmer an dieser Form der Preiskonkurrenz sind Generalunternehmer.

Zwischen den genannten «reinen» Methoden gibt es Zwischenformen. Man kann auch Bauleistungen einkaufen, die grösser sind als eine Arbeitsgattung, aber kleiner als ein komplettes Gebäude. Ein Beispiel ist ein Stahlbauer, der für eine Stahlhalle nicht nur die Tragkonstruktion liefert, sondern auch das Dach und die Fassade. Indem er die Gebäudehülle von Subunternehmern einkauft, wird er zu einem Teil-Generalunternehmer. - Zwischenformen sind zurzeit noch relativ selten, dürften aber in Zukunft häufiger werden. Es zeichnet sich nämlich ein Trend ab, den Arbeitsumfang pro Unternehmer zu vergrössern und ihm dadurch mehr unternehmerischen Spielraum zu verschaffen. Meines Erachtens ist es eine sinnvolle Entwicklung.

Beim Generalunternehmerverfahren müssen die unabhängigen Planer einen wesentlichen Teil ihrer Arbeit an den Generalunternehmer abgeben, nämlich die ganze Bauleitung und das Kostenwesen während der Bauausführung, vielleicht auch die Ausführungsplanung. Generalunternehmer und unabhängige Planer sind somit direkte Konkurrenten für einen Teil des Auftragspotentials. Die freien Planer schätzen daher die Generalunternehmer nicht besonders, die seit Jahren tendenziell Marktanteile gewinnen. - Etwas anders sieht die Situation aus bei den relativ wenigen Architekten, die sich ausschliesslich auf die Planung konzentrieren und keine Bauausführung betreiben. Diese sind darauf angewiesen, mit Generalunternehmern zusammenzuarbeiten.

Das moderne Verfahren: bauliche Gesamtleistungen

In den letzten Jahren hat im Bauwesen eine Umwälzung, vielleicht sogar eine Revolution stattgefunden: das Totalunternehmermodell ist aufgetaucht. Der Ausdruck tönt harmlos und scheint dem altvertrauten Generalunternehmermodell verwandt zu sein. Rein juristisch stimmt das auch: ein Totalunternehmer ist ein projektierender Generalunternehmer.

In der wirtschaftlichen Realität allerdings ist ein Totalunternehmer etwas radikal anderes als ein Generalunternehmer. Das Totalunternehmermodell führt im Bauen ein neues Prinzip ein: Nur wer selber ausführt, ist in der Lage, richtig zu planen und damit im Sinne des Investors das Gesamtoptimum zu erreichen. Damit wird das alte Prinzip der Trennung von Planung und Ausführung auf den Kopf gestellt. Das entscheidende Kriterium des Totalunternehmermodells ist die Tatsache, dass die Bauherrschaft ein komplettes Bauwerk einschliesslich der Planung von einem einzigen Anbieter einkauft. Es ist zweitrangig, ob der Totalunternehmer selber baugewerblich tätig ist. Viele sind es nicht und haben selber weder Schaufel noch Bagger.

Die Totalunternehmer behaupten, dass ihr Modell besser sei als das traditionelle. Erst mit der Kopplung von Planung und Ausführung sei eine ungeteilte Verantwortung und somit eine durchgehende straffe Projektleitung möglich. Dies habe eine gesamtheitliche Planung zur Folge. Der notwendige Dialog, einerseits unter den Planern, andererseits zwischen Planern und Ausführenden, sei nur so gewährleistet. Die Totalunternehmer trachten daher danach, möglichst früh im Planungsprozess mit dem Auftrag betraut zu werden. Als wesentliche Schwachstelle des traditionellen Verfahrens orten sie die Rolle der Architekten. Kreativ seien sie zwar, aber mit den Zahlen und der Organisation hätten viele Mühe. Als Resultat des Totalunternehmermodells resultierten daher zwangsläufig günstigere Kosten.

Die Totalunternehmer sind alles andere als eine einheitliche Gruppe. Wir fassen das Spektrum breit und zählen alle Firmen dazu, die Planung und Ausführung von Bauleistungen im Werkvertrag aus einer Hand anbieten. Eine erste Gruppe sind die sogenannten integralen Baufirmen, die sich aus dem Bauhauptgewerbe heraus entwickelt haben. Eine weitere sind die traditionellen Generalunternehmer, die auch als Totalunternehmer auftreten. Eine letzte schliesslich sind ursprünglich reine Planungsfirmen, die als sogenannte Generalübernehmer zusätzlich die Bauausführung als Werkvertragsleistung übernehmen.

 

  • Direktauftrag oder Ausschreibung?

Die Bauherrschaft kann den Auftrag für eine bauliche Gesamtleistung (Totalunternehmerauftrag) direkt erteilen oder vorgängig eine Konkurrenzausschreibung durchführen. Am erstrebenswertesten für die Anbieter von baulichen Gesamtleistungen ist natürlich ein Direktauftrag. Aber nur ein Teil aller Bauherrschaften will oder kann Bauleistungen im Direktauftrag beschaffen. Meistens ist Konkurrenz erwünscht oder sogar vorgeschrieben, etwa bei der öffentlichen Hand. Mit der Totalunternehmerausschreibung ist es möglich, von mehreren Anbietern Angebote für bauliche Gesamtleistungen einzuholen.

Die Totalunternehmerausschreibung ist die Kombination von einem Planungswettbewerb mit einer Generalunternehmerausschreibung. Von den Wettbewerbsteilnehmern sind nicht nur gestalterische Projekte vorzulegen, sondern gleichzeitig verbindliche Preisangaben. Es findet also nicht nur ein Wettbewerb der Ideen statt (wie beim gewöhnlichen Architektenwettbewerb), sondern gleichzeitig eine Preiskonkurrenz.

 

Nach diesem ersten groben Überblick befassen wir uns nun etwas näher mit den verschiedenen Möglichkeiten.