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Die drei Trümpfe der freien Planer

Obwohl das Konzept der baulichen Gesamtleistungen (Totalunternehmermodell) aus theoretischer Sicht unbestreitbare Vorteile hat, und zwar sowohl für die Besteller der Leistungen wie für die Anbieter, dürfen die freien Planer keineswegs vorschnell abgeschrieben werden. Das traditionelle Planen mit freien Architekten wird auch in Zukunft weit verbreitet bleiben. Folgende Gründe sprechen dafür, dass sie sich im Markt werden halten können.

Grund 1: Bauen ist (relativ) einfach

Das bautechnische Know-how ist, verglichen etwa mit dem Know-how des Grossmaschinenbaus, relativ einfach. Eigentliche Geschäftsgeheimnisse sind selten. Ein grosser Teil der Bauteile (Mauerwerk, Fenster, Elemente für Ausbau und Haustechnik etc.) kann auf einfache Art aus Katalogen beschafft werden. Bauteile sind «Commodities». Wirklich kritische Teile wie etwa eine Turbine im Maschinenbau gibt es kaum. Der technische Fortschritt ist, verglichen mit anderen Branchen, eher langsam. Während sich die Leistungsfähigkeit von Maschinen wie Computern möglicherweise alle paar Jahre verdoppelt, hat sich beispielsweise der Stahlbau seit der Errichtung des 300 m hohen Eiffelturms im Jahre 1889 nur bescheiden weiterentwickelt. Es gibt daher viele unabhängige Know-how-Träger wie Architekten, Bauingenieure, Haustechnikplaner und Bauleiter, die auf dem Stand der Technik sind.

Damit soll nicht gesagt sein, dass Totalunternehmer und vor allem die integralen Bauunternehmungen unter ihnen im Einzelfall nicht einen Wissensvorsprung haben können. Es gibt Gebiete, wo sie tatsächlich mehr wissen als gewöhnliche unabhängige Planer. Meiner Meinung nach handelt sich dabei aber vorwiegend um Bauaufgaben im Tiefbau, beispielsweise im Tunnelbau. Derartige Projekte unterscheiden sich vom Hochbau namentlich dadurch, dass der Löwenanteil eines Bauloses an einen einzigen Unternehmer vergeben wird.

Was können nun Tiefbauplaner tun, um seltenes und hochwertiges Ausführungswissen von Bauunternehmungen bereits bei der Planung nutzen zu können? Die Bauwirtschaft ist in den letzten Jahren nicht untätig geblieben und hat dafür diverse Instrumente entwickelt. Eines davon ist das sogenannte «Modell GIB», das im Hinblick auf die grossen Infrastrukturbauten konzipiert worden ist. Gemäss diesem Ansatz werden Ausführungsfirmen während der Planungsphase als Beraterinnen beigezogen und auch entsprechend entschädigt. Die Beratung kann sich beispielsweise auf die Wahl der Baumethode im Tunnelbau beziehen.

Im Hochbau bietet sich vor allem das sogenannte SMART-Konzept an, das von SIA und Baumeisterverband gemeinsam erarbeitet worden ist. Hier werden die wichtigen Unternehmer bereits in einem frühen Stadium in die Projektentwicklung eingebunden. Durch die enge Zusammenarbeit wirtschaftlich unabhängiger Planer und Unternehmer verspricht man sich eine umfassende Optimierung des Planungs- und Ausführungsprozesses. Die Zukunft wird zeigen, was man von diesem noch neuen Modell erwarten darf.

Gesamthaft betrachtet ist, von Ausnahmen abgesehen, unabhängige Planung bei einer einfachen Technologie wie dem Bauen gut möglich. Das nötige Ausführungswissen ist bei den Planern in der Regel vorhanden. - Es ist aber eine andere Frage, ob sie auch immer vom kategorischen Wunsch beseelt sind, das bestmögliche Preis-Leistungs-Verhältnis auch tatsächlich zu erreichen.

Grund 2: Angebote für komplette Gebäude sind teuer

Nehmen wir an, eine industrielle Unternehmung benötige gleichzeitig eine Grossmaschine wie beispielsweise ein Bearbeitungszentrum sowie ein neues Verwaltungsgebäude. Bevor die Projekte freigegeben werden, will die Geschäftsleitung zuerst wissen, was sie kosten. Wie unterscheidet sich die Art und Weise, wie für die beiden Objekte Angebote eingeholt werden?

Bei einem Gebäude kommt die schwierigste Arbeit, der architektonische Entwurf, ganz am Anfang des Projektablaufs. Der Entwurf setzt eine intensive Auseinandersetzung mit der gewünschten Nutzung und dem Standort voraus. Die Qualität des Entwurfs spielt normalerweise bei der Beurteilung des Angebots eine entscheidende Rolle. Somit muss bei einem Gebäude die Konzeption schon ziemlich weit gediehen sein, bis überhaupt ein mehr als nur sehr vages Preisangebot eingereicht werden kann. Das kann einen Planungsaufwand von mehreren 100 000 Fr. zur Folge haben. Bei einer Maschine jedoch begnügt sich ein potentieller Käufer mit der Zusage, dass sie die geforderten Spezifikationen erfüllt. Die schwierigen Aufgaben, die Umsetzung der Anforderungen in konstruktive Lösungen, stellen sich dem Anbieter erst nach Auftragserteilung.

Der unterschiedliche Aufwand, der für ein Angebot getrieben werden muss, hat Auswirkungen auf die Kosten des Angebots. Totalunternehmerangebote für Gebäude sind, in Prozenten der Angebotssumme ausgedrückt, einiges teurer als ein Angebot beispielsweise für eine Druckmaschine, ein Kraftwerk oder ein Bearbeitungszentrum. Unterschiedlich ist auch, wer für die Offertkosten aufkommt. Bei Maschinen trägt in der Regel der Anbieter die Kosten, Offerten sind für den potentiellen Besteller also gratis. Totalunternehmerangebote für Gebäude jedoch müssen meistens bezahlt werden. Ein solides Angebot kann schon in günstigen Fällen 2% der Angebotssumme kosten. Vielfach begnügt sich ein Investor aber nicht mit einem Angebot, sondern holt zwei ein, weil in der Industrie üblicherweise nichts eingekauft wird ohne Konkurrenzofferten. Somit erhöhen sich die reinen Offertkosten schon auf etwa 4% der Offertsumme. Will das ein Investor bezahlen?

Dieser zweite Punkt unterstützt die Abkoppelung der Planung von der Bauausführung. Angebote für komplette Gebäude aufgrund eines Pflichtenheftes sind zwar möglich, aber aufwendig und teuer. Bei Konkurrenzverhältnissen ist zudem für den Anbieter ein erhebliches Risiko vorhanden, dass ausser Spesen nichts herausschaut.

Unabhängige Planung ist ein eleganter Ausweg. Der Investor verpflichtet gegen Bezahlung für die erste und zugleich schwierigste Phase geeignete Planer. Als Vertrauenspersonen des Bauherrn lassen sie später in seinem Namen für die Bauausführung den Markt spielen. In der Ausführungsphase sind Angebote von Ausführungsfirmen denn auch traditionell gratis.

Grund 3: Gute Architekten sind gerne selbständig

Ein Gebäude ist mehr als eine Maschine, es ist ein Teil unserer Kultur. Gestaltet wird es von Baukünstlern, die Freiheit und Unabhängigkeit über alles lieben. Sie fühlen sich wohler als Freiberufler im eigenen Atelier als in grossen Bauorganisationen. Anders ist es in der Industrie. Begnadete Ingenieure suchen das Umfeld der Grossfirmen. Hier können sie sich am besten entwickeln und kommen erst an die wirklich interessanten Projekte heran. Falls es beispielsweise in der Druckmaschinenbranche einen Chefingenieur geben sollte, dessen Renommee an das von Meister Botta in der Architektur heranreichen sollte, wäre er mit grosser Wahrscheinlichkeit angestellt. Botta aber wird vermutlich auch in Zukunft nur projektbezogen mit grossen Generalunternehmern zusammenarbeiten und sich nicht fest anstellen lassen.

Dieser dritte Punkt fördert die unabhängige Planung, also das Auftragsverhältnis zur Bauherrschaft, noch zusätzlich. Bekannte Architekten gestalten Markenartikel, die unter Umständen einen hohen Attraktivitätswert haben. Ein Teil der Bauherren und insbesondere die öffentliche Hand suchen diese überragende gestalterische Qualität, die Kosten spielen dabei nur eine sekundäre Rolle. Ein Centre Pompidou beispielsweise wäre nie entstanden, wenn sich der Bauherr von den Wettbewerbsteilnehmern die Ausführungskosten vertraglich hätte garantieren lassen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend können wir also festhalten, dass es mindestens drei plausible Gründe gibt, wieso das traditionelle Vorgehen mit unabhängigen Planern von den Totalunternehmern nicht so leicht zu verdrängen sein wird: (1) das Abspalten der Planung von der Ausführung ist gut möglich, denn Bauen ist eher einfach, (2) Angebote für komplette Bauwerke aufgrund eines Pflichtenheftes nach dem Vorbild der Industrie sind relativ aufwendig und teuer, und (3) viele der wirklichen Champions der Architektur wollen selbständig sein.

Die Diskussion über das richtige Vorgehen beim Bauen dürfte uns daher noch lange erhalten bleiben.