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Warum die Totalunternehmer aufkommen

Die Diskussion über bauliche Gesamtleistungen ist eine neuere Erscheinung. Erst etwa in den achtziger Jahren setzt sie richtig ein. Was ist der Auslöser, dass das an sich schon lange bekannte Totalunternehmermodell allmählich eine derartige Bedeutung erlangt? Die Hauptursache dürften die grossen Umwälzungen in der Wirtschaft generell sein, die sich auch auf die Bauwirtschaft auswirken.

Die Bauwirtschaft will eine Industrie sein

In der Industrie spielen sich zurzeit dramatische Vorgänge ab. Die Weltwirtschaft befindet sich in einem grundlegenden Wandel: die Rede ist von der Dritten Industriellen Revolution. Gegenüber früher können Produkte und Dienstleistungen wesentlich effizienter produziert werden, wodurch die Kosten (teilweise dramatisch) sinken. Eines der Schlüsselwörter ist «Tempo». Mit innovativen Formen der Organisation gelingt es, Marktleistungen schneller zu entwickeln und bei Aenderungen aller Art umgehend zu reagieren. Verstärkt wird der Produktivitätsschub durch vielfältige technologische Errungenschaften (Informationstechnologie, Roboter etc.).

Selbstverständlich stossen die wundersamen Umwälzungen in der Industrie auch in der Bauwirtschaft auf Interesse. Aber kann man die neu gefundenen Geheimnisse der Produktivitätssteigerung überhaupt auf das Bauen übertragen? Sind die beiden Wirtschaftszweige ähnlich genug? Damit wir dieser Frage näherkommen, werfen wir zunächst einen Blick auf die industrielle Branche, die am ehesten mit dem Bauwesen vergleichbar ist: die Herstellung von grossen Investitionsgütern. Darunter verstehen wir Maschinen oder Anlagen, die in Einzelanfertigung hergestellt werden. Typische derartige Produkte sind Druckmaschinen, Papiermaschinen, Generatoren, Turbinen und dergleichen. Einige von ihnen sind von der Grösse wie vom Preis her durchaus mit grossen Gebäuden zu vergleichen.

Bauwerke und grosse Maschinen haben gemeinsam, dass sie für unterschiedliche Anforderungen einzeln konzipiert werden. Normalerweise sind es in technischer Hinsicht keine revolutionären Neukonzeptionen und somit auch keine Prototypen. In der Industrie werden sie etwa als (technisch ausgereifte) Variantenkonstruktionen bezeichnet. Auch im Bauwesen ist es so, dass Neubauten in den weitaus meisten Fällen technisch absolut ausgereift sind. Weil auf Baustellen aber soviel schiefläuft, wird fälschlicherweise ab und zu behauptet, Gebäude seien Prototypen. An Prototypen wird aber herumexperimentiert, was bei Neubauten in aller Regel nicht nötig ist. Gemeinsam ist bei Gebäuden und grossen Maschinen ferner die Art der Preisermittlung. Normalerweise existieren keine Katalogpreise. Die Preise können zwischen einigen und mehreren hundert Millionen Franken betragen und müssen in einem aufwendigen Verfahren ermittelt werden.

Wir können somit das vorläufige Fazit ziehen, dass es durchaus Gemeinsamkeiten gibt zwischen der Bauwirtschaft und der Investitionsgüterindustrie. Die Planung jedoch, und dieser Aspekt interessiert uns besonders, ist in der Industrie ganz anders organisiert als traditionellerweise im Bauwesen. In der Industrie gibt es das nicht, was man in der Bauwirtschaft als unabhängige Planung bezeichnet. Firmen wie Sulzer oder ABB machen das Engineering ihrer Produkte grundsätzlich selber. Das technische Wissen ist in der Industrie ausgesprochen hochwertig und gehört untrennbar zum Produkt. Im Engineering-Wissen liegt ein grosser Teil des Wertes der Firma. Hier sind die Geschäftsgeheimnisse enthalten. Man lässt davon nur sowenig wie möglich nach aussen dringen. Vergleichbares technisch-konstruktives Wissen in ähnlicher Qualität ist nur in einer beschränkten Anzahl Firmen vorhanden. Grosse Druckmaschinen beispielsweise werden nur an wenigen Orten auf der Erde hergestellt. Somit gibt es auch nur eine eng begrenzte Anzahl von Know-how-Trägern.

Der Befund ist somit klar: Etwas anderes als eine Planung, die sehr eng an die Herstellung des Produktes gekoppelt ist, gibt es in der Investitionsgüterindustrie nicht. Ist es nun so, dass die Bauwirtschaft sich an die Industrie angleichen soll, was die Organisation der Planung anbelangt? Braucht die Bauwirtschaft die enge Kopplung der Planung mit der Ausführung, damit der Produktivitätsschub eintritt, der das Bauwesen zur richtigen Industrie macht?

Die Pioniere des Gesamtleistungsmodells sind der Meinung, dass diese Ankoppelung der Planung an die Ausführung nötig ist. Bauleistungen seien als umfassende Gesamtpakete anzubieten. Die Totalunternehmer träumen von der Vision, dass eines schönen Tages der grösste Teil aller Bauprojekte so abgewickelt wird.

Weiter unten gehen wir auf drei Gründe ein, wieso sie das klassische Realisierungsmodell mit freien Planern nicht so schnell werden verdrängen können. - Doch zunächst noch zu einem anderen Aspekt.

Bauliche Gesamtleistungen sind auch gute Geschäfte

Bauliche Gesamtleistungen setzen sich im Markt nicht nur aus managementtheoretischen Überlegungen durch, indem sie als Königsweg zum Gesamtoptimum dargestellt werden. Sie sind für die Anbieter zugleich interessante Geschäftsmöglichkeiten. Mit Gesamtleistungen können sie wenigstens teilweise dem erheblichen Preisdruck entfliehen, der auf der ganzen Bauwirtschaft lastet.

Es spielt sich im Bauwesen ein ähnlicher Effekt ab wie in der produzierenden Industrie. Dort trachten die Lieferanten von Einzelteilen danach, durch eine Vergrösserung der Wertschöpfung die Gewinnmöglichkeiten zu verbessern. Als Systemanbieter statt Komponentenlieferanten haben sie gute Chancen dazu. Systeme als umfassende Problemlösungen sind nämlich weniger stark dem rauhen Wettbewerb ausgesetzt.

Das gleiche gilt im Bauwesen. Der beste Weg überhaupt, dem starken Wettbewerb zu entgehen, ist ein Direktauftrag für Planung und Realisierung eines kompletten Gebäudes, also ein Totalunternehmer-Direktauftrag.