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Einige häufige Irrtümer über das Sparen

Bauen ist eine uralte Tätigkeit. Die Techniken und Gebräuche heutigen Bauens haben ihre Wurzeln in der Antike. Dank dem römischen Bauingenieur Vitruv wissen wir ziemlich genau, wie im Alten Rom gebaut worden ist. Er hat den damaligen Stand der Technik im zehnbändigen Werk «De architectura» festgehalten, das einige Jahre vor Christi Geburt erschienen ist. Heutige Bauschaffende können sich somit auf Vorbilder berufen, die wie Vitruv vor ziemlich genau 2 000 Jahren gelebt haben. Die Materialien und Techniken haben sich in der Zwischenzeit wohl geändert, die Grundprinzipien sind aber immer noch ziemlich ähnlich.

Wie kümmerlich ist im Vergleich dazu etwa die Geschichte der Computerindustrie. Der erste richtige Computer, der legendäre Z3, ist 1941 von Konrad Zuse gebaut worden, übrigens auch einem Bauingenieur. Das sind erst gut 50 Jahre her. Allerdings hat sich die Welt der Computer seit 1941 mehr verändert als das Bauen in 2 000 Jahren. Die Aufzeichnungen des Bauingenieurs Vitruv werden auch heute noch von Architekten studiert, die Aufzeichnungen von Konrad Zuse dagegen sind nur noch für Historiker von Interesse. Praktische Bedeutung haben sie nicht mehr.

Allerdings steht auch im Baugewerbe die Zeit nicht still. Speziell in den letzten Jahrzehnten hat sich einiges bewegt. Neue Technologien, Arbeitshilfsmittel und Managementmethoden haben Einzug gehalten. Die Bauwirtschaft erscheint deshalb heute als merkwürdige Mischung von alten Traditionen und neuen technologischen Errungenschaften. Es ist darum nicht verwunderlich, dass sich in der Öffentlichkeit diverse falsche Vorstellungen vom Bauen entwickelt haben. Auf einige davon wollen wir im folgenden kurz eingehen. Im Verlauf des Buches werden wir an verschiedenen Stellen darauf zurückkommen

Irrtum 1: Qualität hat ihren Preis

Hinter dieser weitverbreiteten Meinung versteckt sich die Aussage, dass gute Architektur teuer sein dürfe oder vielleicht sogar müsse, insbesondere aber dass mit geringen Mitteln gar keine hochwertige Architektur entstehen könne. Es kann somit bedeuten, dass es kleinlich sei, beim Bauen zu stark auf den Kosten herumzureiten.

Meiner Ansicht nach gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Qualität und dem Preis. Ein qualitativ gutes Bauwerk kann billig sein, ein qualitativ schlechtes teuer - und umgekehrt. Eine der besten Studien zu diesem Thema ist von der ETH Zürich über Wohnsiedlungen durchgeführt worden. Wir kommen später darauf zurück (siehe Abschnitt «Ein Testbericht über Wohnbauten»). Die zentrale Aussage nehmen wir aber vorweg. Sie lautet wie folgt: «Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung kann kein Zusammenhang zwischen Wohnqualität und Baukosten aufgezeigt werden.»

Qualität ist also nicht etwas, was besonders viel kostet. Qualität hängt nicht vom materiellen Aufwand ab, sondern in erster Linie von den Fähigkeiten der Planer. Sie ist somit quasi gratis. Diese Tatsache ist wohltuend für den Seelenfrieden von Leuten wie dem Autor, denen die Kosten stets besonders am Herzen liegen. Auf günstigen Kosten beharren heisst nicht, der Baukultur das Grab zu schaufeln.

Qualität hat keinen Preis, sie ist kostenloser Mehrwert.

Irrtum 2: Alle Architekten bauen etwa gleich teuer

Architekten gehören zu der raren Spezies von Berufsleuten, bei denen sich Sparen im Berufsleben nicht zwangsläufig auszahlt. Wer sparsam baut, reduziert dadurch im Normalfall sein Honorar. Es wird deshalb von bösen Zungen gelegentlich behauptet, Architekten seien am günstigen Bauen gar nicht interessiert, denn teure Bauten ergäben mehr Honorar.

Dem widersprechen die Architekten und ihre Standesorganisationen natürlich heftig. In erster Linie berufen sie sich dabei auf ihre Ethik, primär die Interessen ihrer Auftraggeber wahrzunehmen und nicht ihre eigenen. Im übrigen könne es sich kein Architekt leisten, zu teuer zu bauen, weil er sonst kaum mehr Aufträge erhalte.

Wer hat recht? In einem effizienten Markt wäre es tatsächlich so, dass der teure, wenig tüchtige Architekt aus dem Markt fallen würde. Leider ist aber das Bauwesen alles andere als effizient und transparent. Verglichen etwa mit der Finanzindustrie ist die Bauwirtschaft eine Dunkelkammer. Zahlen werden häufig unter Verschluss gehalten. Transparenz existiert nur in Ausnahmefällen. Ein «Performancedenken» (wie man es im Finanzwesen bezeichnen würde) ist nicht nur schwach entwickelt, sondern in einigen Kreisen sogar verpönt. So ist es denn möglich, dass selbst absolute Profis, die seit Jahren gleichartige Bauaufgaben bearbeiten, ihre Fähigkeiten zum kostengünstigen Bauen nur beschränkt einschätzen können. Ich habe mehrere Fälle erlebt, wo sich vollmundige Behauptungen, günstiger gehe es nun wirklich nicht, als falsch herausgestellt haben. Wenn aber schon Spezialisten, die seit Jahr und Tag laufend Industriebauten, Spitäler und dergleichen bearbeiten, ihre «Performance» nicht immer richtig einschätzen können, wie soll denn ein Universalarchitekt dazu in der Lage sein, der vielleicht das erste Mal eine nicht alltägliche Aufgabe anpackt?

Gemäss meinen Erfahrungen sind die Architekten in höchst unterschiedlichem Masse in der Lage, kostengünstig zu bauen. Die Fähigkeiten dazu reichen von sehr gut bis sehr schlecht. Weil dies im Markt aber nicht bekannt ist, kann sich problemlos auch der teure halten. Wenn er trotzdem behauptet, er baue günstig, dann ist das nicht einmal gelogen: er weiss es einfach nicht. Aus dem gleichen Grund ist es auch nicht zwangsläufig so, dass ein kostenbewusster Architekt erfolgreich ist, weil auch dies dem Markt verborgen bleibt.

Bei den nichtprofessionellen Bauherren schliesslich ist verständlicherweise der Kenntnisstand noch viel magerer als bei den Architekten. Vielfach ist ihnen nicht einmal in Ansätzen klar, welcher Architekt eher günstig oder teuer baut.

Irrtum 3: Günstige Bauten erkennt man an rohen Baumaterialien

Es gibt eine Gruppe von Architekten, die eine recht simple Vorstellung vom günstigen Bauen haben: Was günstig aussieht, erachten sie auch als günstig. Ihre Kostensparmethode beschränkt sich daher weitgehend darauf, tragende Materialien wie Mauerwerk und Beton roh zu belassen. Hauptleidtragende dieses Konzepts sind mitunter die Gipser, die bei der Arbeitsvergebung leer ausgehen.

Roh und karg erscheinende Bauten können höchst reizvoll sein. Besonders in gebildeten Kreisen gelten sie als ausgesprochen chic, während das Durchschnittspublikum doch eher Putz und Tapete vorzieht, noch lieber aber möglichst viel Holz.

Natürlich ist es nicht falsch, dass roh belassene Materialien eher eine günstige Lösung sind. Ueberbewerten darf man den Effekt aber nicht. Sorgfältig hergestellter Sichtbeton beispielsweise ist kaum billiger als eine verputze Betonwand. Und der Verzicht auf eine heruntergehängte Decke in einem Bürogebäude kann einen derartigen Rattenschwanz an Folgekosten bei anderen Bauteilen auslösen, dass man mit der roh belassenen Decke kaum günstiger fährt.

Die echten Sparpotentiale beim Bauen liegen meist ganz anderswo, bei ökonomischen Grundrissen, einfachen Geometrien, zurückhaltend verglasten Fassaden, bescheidener Haustechnik und dergleichen. Der Verzicht auf ein wenig Putz fällt kaum ins Gewicht.

Erstaunlich ist trotzdem, wie falsch das Sparpotential von rohen Baumaterialien wie Sichtbeton manchmal eingeschätzt wird. Ich kenne sehr aufwendig konzipierte Bauwerke, mit viel Glas und komplizierten Tragwerken, die aus purer Unkenntnis sogar bei der Bauherrschaft als günstig gelten.

Irrtum 4: Ein Bau ist ein Prototyp

Diese Ausrede braucht man dann, wenn auf dem Bau etwas schiefläuft. Richtig ist, dass auf Baustellen viel zuviel nicht klappt. Falsch ist hingegen, dass ein Bauwerk ein Prototyp sei. Nur bei ganz wenigen trifft dies zu, etwa beim Zeltdach des Olympiastadions in München oder beim Tragwerk aus gegossenen Stahlteilen des Centre Pompidou in Paris. Die allermeisten Bauprojekte entsprechen hingegen dem, was man in der Industrie etwa als Variantenkonstruktion bezeichnet. Darunter versteht man eine leichte Abänderung eines Produktes an spezifische Kundenbedürfnisse, was technisch völlig problemlos bewältigt werden kann. Nur ganz wenige Dinge auf dem Bau lassen sich nicht vorhersehen und folglich nicht planen, etwa spezielle Fundationen auf schwierigem Baugrund. Ueberraschungen kann es beispielsweise auch bei Sanierungen geben.

Der ganze Rest aber ist völlig vertrautes Gebiet, mit alltäglichen Technologien, Materialien und Verfahren. Ruhig und besonnen lassen sich alle Abläufe planen. Ein Bau ist zwar durchaus ein Unikat, aber er wird erst dann zum Prototyp, wenn jemand seine Hausaufgaben nicht macht - und das passiert leider ab und zu.

Irrtum 5: Gute Planung bedingt viele Spezialisten

Meiner Ansicht nach ist das Gegenteil der Fall: Zu viele Planer verderben den Brei. Ein Planungsteam sollte sich aus einer kleinen Gruppe von Leuten zusammensetzen, die breite Erfahrungen mitbringen und sich gegenseitig gut ergänzen. Wie schwieriger die Planung ist, desto kleiner soll das Team sein, speziell am Anfang. Es ist ähnlich wie beispielsweise bei der Softwareentwicklung, wo wirklich komplexe Aufgaben wie die Grundkonzeption von Betriebssystemen überhaupt nur von ganz kleinen Teams zu lösen sind.

Welche Leute das für ein Bauprojekt sein sollen, lässt sich nicht allgemein formulieren. Das hängt vom Projekt ab. Entscheidend ist aber, dass die zentralen Aspekte Nutzung, baulicher Entwurf und kostenmässige Optimierung bereits ganz am Anfang in voller Konsequenz einfliessen. Die Leute der Kerngruppe führen etwa die Berufsbezeichnungen Betriebsplaner (bei Eigenbedarf) oder Marketingspezialist (bei Fremdnutzung), Entwurfsarchitekt und Baukostenplaner. Mit Vorteil gehört noch ein Generalist für die Haustechnik dazu. Nicht nötig sind in der Regel die immer zahlreicheren Spezialisten, die häufig das Gefühl haben, sie müssten schon ganz am Anfang dabeisein. Dazu zähle ich etwa Bauphysiker, Energiefachleute, Umweltberater, Haustechnikkoordinatoren, Sicherheitsberater und dergleichen. Die Lösung wird vermutlich besser, wenn alle diese Aspekte in der Entwurfsphase von entsprechend qualifizierten Generalisten mit breitem Horizont eingebracht werden. So schützt man sich auch davor, dass zu viele Spezialisten aus dem Projekt eine Summe von Teiloptima machen - aber nicht ein Gesamtoptimum.

Irrtum 6: Integral wird alles besser

Das Wort «integral» gilt heutzutage als höchstes Gütezeichen beim Bauen. Leider gibt es verschiedene Auffassungen darüber, was integral ist. Bauunternehmen bezeichnen sich als integral, wenn sie nicht nur ausführen, sondern auch selber planen. Die Planer sprechen von integraler Planung, wenn sie die Aufgabe im Team gesamtheitlich anpacken, statt dass jeder sich isoliert und möglicherweise noch phasenverschoben nur um seinen Zuständigkeitsbereich kümmert. Für Planer der Haustechnik wird es richtig integral, wenn sie Fachkoordinator spielen dürfen. Für EDV-Begeisterte ist der Zugriff auf die gemeinsame Datenbank das entscheidende Merkmal, wenn es integral sein soll. Es gibt sogar schon integrale Bauherrenbetreuer, die sich mit integralem Projektmanagement profilieren. Wohin man blickt: alles ist integral.

Viele der Marktteilnehmer, die mit dem Wort «integral» Werbung betreiben, sind zweifellos in der Lage, gut und günstig zu bauen. Sie sollen auch keineswegs schlechtgemacht werden. Das Hauptproblem scheint mir aber zu sein, dass «integral» ein derart schwammiger und nichtssagender Begriff geworden ist, dass man ihn nicht mehr verwenden sollte. In diesem Buch gebrauche ich ihn nur für integrale Bauunternehmungen vom Typ Zschokke oder Preiswerk (siehe Abschnitt «Anbieter von baulichen Gesamtleistungen», denn diese haben (soweit ich es beurteilen kann) den Begriff geprägt - und zwar schon vor Jahrzehnten. Integral heisst in diesem Buch also: Planung und Ausführung aus der Hand einer Unternehmung, die selber physisch ausführt.

Wenn wir uns in diesem Buch mit preisgünstigem Bauen beschäftigen, kommen wir in allen anderen Fällen problemlos ohne den Begriff «integral» aus. Es gibt nicht integrale und weniger integrale Planung, sondern nur gute und schlechte.

Irrtum 7: Der Bauherr stört beim Bauen nur

Es ist eine uralte Wunschvorstellung von Architekten, dass der Bauherr bei Baubeginn in die Ferien verreist und erst bei Bauvollendung wieder zurückkehrt. So werde, sagen die Architekten, der Bauherr beispielsweise davon abgehalten, während der Bauausführung immer wieder Aenderungen anzuordnen. - Einige böse Geister jedoch interpretieren diesen Wunsch ganz anders: Ohne Aufsicht des Geldgebers könne bei der Realisierung viel lockerer gewurstelt werden.

Völlig haltlos ist diese Behauptung nicht. Meiner Ansicht nach muss die Bauherrschaft möglichst stark sein, wenn sie günstig bauen will: präsent, informiert und kompetent während der ganzen Projektdauer. Die Bauherrschaft soll im eigenen Interesse das Projekt aktiv leiten und ihm nicht hinterherlaufen. Es genügt auch nicht, das Projekt nur zu begleiten: Aktiv leiten muss man es.

Nur starke Bauherrschaften bauen günstig.

Irrtum 8: Wir brauchen Innovationen

Bauen ist keine Wissenschaft, wo man auf technischem Gebiet zu innovativ sein sollte. Ich persönlich wende lieber eine Technik an, die sich seit 100 Jahren bewährt hat (und zwar in unseren Breitengraden und bei unserem Klima), als eine bahnbrechende Erfindung. Zu oft sind mit Innovationen gigantische Bauschäden produziert worden. Das bekannteste Beispiel sind wohl Fassaden aus Corten-Stahl. Nach Theorie hätte sich an der Oberfläche nur eine leichte Rostschicht bilden sollen. Im amerikanischen Wüstenklima hat dies problemlos funktioniert, im feuchten schweizerischen Klima aber sind die Fassaden gleich durchgerostet und haben sich schlicht in Nichts aufgelöst (allerdings erst nach der Garantiefrist).

Es gibt noch viele andere Beispiele von innovativen Flops: einbetonierte Sanitärleitungen aus den sechziger Jahren, sogenannte dauerelastische Kittfugen aus den siebziger Jahren, gewisse Typen von verputzten Aussenisolationen aus den achtziger Jahren und weitere mehr.

Ausgesprochen empfehlenswert ist es dagegen, auf organisatorischem Gebiet innovative neue Wege zu gehen und die jahrhundertealten Trampelpfade des Bauens zu verlassen. Interessanterweise besteht hier eine sehr viel grössere Scheu. Lieber hält man sich an die liebgewordenen alten Gepflogenheiten, die man seit langem kennt.