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F. Das Rechnungswesen

Das System der Abrechnung der Werkverträge ist im Bauwesen relativ kompliziert. Wer auch nur flüchtig mit der Welt des Bauens vertraut ist, wird bestätigen, dass es sehr aufwendig ist, beispielsweise die Leistung eines Gipsers korrekt abzurechnen. Obwohl sich vor allem die Bauleitung um die Einzelheiten des Rechnungswesens kümmern muss und die Bauherrschaft nur (aber immerhin) die Rechnungen zu bezahlen hat, lohnt sich ein grober Überblick trotzdem. Mit dem Abrechnungssystem befasst sich der fünfte Abschnitt der SIA-Norm 118 (Art. 141 bis 156 SIA 118).

 

  • Ausmass

Es ist eine alte Tradition im Bauwesen, dass bei Werkverträgen mit Einheitspreisen die Mengen der erbrachten Leistungen, das sogenannte Ausmass, von Unternehmer und Bauleitung gemeinsam ermittelt werden. Bei den Gipserarbeiten beispielsweise messen Gipserpolier und Bauleiter gemeinsam alle Gipserarbeiten aus, teilweise mit Messband und Meter, teilweise auch ab Plan. Dabei müssen sie ein umfangreiches System von Regeln beachten, die sogenannten Ausmassvorschriften. Das Ausmessen kann Stunden oder Tage dauern. Allerdings ist es, je nach Arbeitsgattung, in neuerer Zeit mit dieser Tradition nicht mehr so weit her. Vermehrt wird das Ausmessen ganz dem Unternehmer überlassen. Die Bauleitung beschränkt sich auf Stichproben und Plausibilitätskontrollen. Man darf sich daher fragen, ob die zeitaufwendige Übung des Ausmessens nicht ganz aufgegeben werden sollte. Sinnvoller wäre es, ein genaues Vorausmass zu ermitteln und die Arbeiten pauschal zu vergeben (näheres siehe Absatz «Pauschale Vergebungen anstreben»).

 

  • Akontozahlungen und Rückbehalt

Bei grösseren Werkverträgen ist es im Bauwesen üblich, dass der Unternehmer Anspruch auf Abschlagszahlungen (Akontozahlung) hat. Grundlage dafür ist ein Nachweis des Unternehmers über die erbrachte Leistung. Gemäss Art. 144 SIA 118 können Zahlungsbegehren monatlich gestellt werden. Ein derart schneller Rhythmus ist allerdings nur bei grossen Leistungspaketen wie den Baumeisterarbeiten sinnvoll. Bei vielen Arbeitsgattungen werden andere Zahlungsmodalitäten vereinbart. Ein typisches Beispiel dafür sind die Zahlungsbedingungen für Sonnen- und Wetterschutzanlagen, die in der entsprechenden Spezialnorm (siehe «Spezialnormen») formuliert sind.

Normalerweise zahlt die Bauherrschaft bei Akontozahlungen nicht den vollen Gegenwert der erbrachten Leistung aus, sondern nimmt eine Reduktion vor. Diese Sicherheitsleistung des Unternehmers wird als Rückbehalt bezeichnet. Gemäss Art. 150 SIA 118 beträgt der Rückbehalt meistens 10% des Leistungswertes.

 

  • Schlussabrechnung

Spätestens zwei Monate nach Abnahme seines Werkes hat der Unternehmer die Schlussabrechnung einzureichen. Diese gibt Aufschluss über die geforderte Vergütung sowie über sämtliche gestellten Rechnungen und erhaltenen Zahlungen. Für die Prüfung steht der Bauleitung nach Art. 154.2 SIA 118 ein Monat zur Verfügung, doch werden in der Praxis häufig auch längere Fristen vereinbart. Sofern sich bei der Prüfung keine Differenzen ergeben, gilt die Schlussabrechnung gemäss Art. 154.3 SIA 118 mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als «beidseitig anerkannt». - Achtung! Gemäss dem genannten Absatz 3 wird einem Unternehmer kundgetan, dass die Bauleitung die Vollmacht habe, Rechnungen anzuerkennen. Das Bundesgericht hat sich zu diesem Vorgehen schon geäussert und es als «geschäftsfremd» bezeichnet. Nur die Bauherrschaft soll Rechnungen anerkennen können.

Die Regiearbeiten sind normalerweise nicht Gegenstand der Schlussabrechnung. Regierechnungen werden üblicherweise monatlich gestellt und unabhängig von den Akkordarbeiten abgerechnet.

 

  • Schutzmassnahmen

Das letzte Wort im Rechnungswesen und speziell bei der Schlussabrechnung muss die Bauherrschaft haben - und nicht die Bauleitung. Es geht nicht an, dass die Bauleitung in eigener Kompetenz Rechnungen verbindlich anerkennt und somit die Bauherrschaft zu Zahlungen verpflichtet. Sie muss sich darauf beschränken, die Schlussabrechnung zu prüfen.

Betrachten wir dazu ein Beispiel. Während der Rohbauphase für eine Industriehalle bestellt der bauleitende Architekt Betonelemente zu spät. Diese hätten unbedingt mit dem Baustellenkran versetzt werden sollen. Damit die Elemente in einem wesentlich späteren Zeitpunkt doch noch montiert werden können, lässt die Bauleitung den Kran länger als ursprünglich vorgesehen stehen. Die Mehrmiete für den Kran beträgt 10 000 Fr. Dieser Betrag erscheint offen ausgewiesen in der Rechnung des Baumeisters.

Aus juristischer Sicht ist der Fall klar: Der Architekt hat seinen Auftrag fehlerhaft erfüllt, wofür er haftet. Aus menschlicher Sicht ist es aber nachvollziehbar, dass er den Schaden nicht gerne selber übernimmt, sondern versucht, dass die Bauherrschaft dafür aufkommt. Bei der Prüfung der Baumeisterrechnung hat die Bauleitung daher gar kein Interesse, die fragliche Position der Mehrmiete des Kranes aufzuspüren. Nur eine aufmerksame Bauherrschaft hat die Chance, bei der Kontrolle der Schlussabrechnung eine derartige Vertuschung zu erkennen. Sie wird anstreben, dass die Bauleitung den Schaden (oder wenigstens einen Teil davon) selber übernimmt. Darum ist es unerlässlich, dass bei der Genehmigung der Rechnungen die Bauherrschaft das letzte Wort hat.

G. Abnahme des Werkes

Wenn ein Unternehmer sein Werk vollendet hat, geht es in der Regel in einem formellen Akt in die Obhut der Bauherrschaft über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abnahme. Sie hat innert Monatsfrist stattzufinden, nachdem der Unternehmer der Bauherrschaft oder ihrer bevollmächtigten Bauleitung die Vollendung des Werkes angezeigt hat.

Die Abnahme läuft so ab, dass das Werk von Bauleitung und Unternehmer gemeinsam geprüft wird. Allfällige Mängel werden in einem Abnahmeprotokoll festgehalten. Bei wesentlichen Mängeln wird die Abnahme zurückgestellt und wiederholt, sobald die Mängel behoben sind. Mängel gelten unter anderem dann als wesentlich, wenn sie «die Tauglichkeit des Werkes zum üblichen oder vereinbarten besonderen Gebrauch unmittelbar und erheblich beeinträchtigen» (Gauch, Werkvertrag, Seite 689 f.). Blosse Schönheitsfehler allerdings verzögern die Abnahme nicht. Mit der Abnahme beginnen wichtige Fristen zu laufen, namentlich die (meist zweijährige) Garantiefrist (Rügefrist) sowie die dreimonatige Frist zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes.

In der Regel wird das Werk von der Bauleitung geprüft und abgenommen, wobei je nach Sachgebiet (Gebäudeleittechnik, Wärmetechnik etc.) zusätzliche Experten beigezogen werden. In der Praxis ist es bei vielen Bauvorhaben kaum möglich, dass die Bauherrschaft an den Abnahmen teilnehmen kann. Diese Stellvertretung ist nicht ganz unproblematisch, weil die Abnahmeprüfung sehr gründlich durchgeführt werden soll. Eine zu grosszügige Abnahme kann sich allenfalls für die Bauherrschaft negativ auswirken, und zwar unwiderruflich. In diesem Zusammenhang ist der Artikel 163 der SIA-Norm 118 speziell wichtig. Gemäss dieser Bestimmung entfällt die Haftung des Unternehmers für einen Mangel, der von der Bauleitung bei der Abnahme zwar erkannt, aber nicht geltend gemacht wird. Anders ausgedrückt: offensichtliche Mängel, die im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt sind, gelten als genehmigt.

 

  • Sorgfältige Abnahmeprotokolle

Veranschaulichen wir uns die Gefahren der allzu grosszügigen Abnahme anhand eines Beispiels. Derartige Probleme sind zwar selten, aber sie können auftreten. Es ist Freitag abend, kurz vor fünf Uhr. Der Storenmonteur beeilt sich mit seiner Arbeit, damit er die Baustelle unbedingt diese Woche noch abschliessen kann. Der Bauleiter, der mit Kollegen noch ein Bier trinken möchte, drängt auf die Abnahme. Bei der gemeinsamen Prüfung des Werks (= Storen) fällt dem Bauleiter zwar auf, dass eine der pulverbeschichteten Blechgalerien etwas eingedrückt ist. Da sich die Store aber gleichwohl einwandfrei bedienen lässt, verzichtet er darauf, den Mangel im Abnahmeprotokoll aufzuführen.

Für die Bauherrschaft ist diese Unterlassung fatal. Der optisch gut sichtbare Mangel stört sie enorm. Gemäss dem Buchstaben der SIA-Norm 118 (Art. 163 SIA 118) kann sie den Storenunternehmer aber nicht mehr belangen: Offensichtliche Mängel, die nicht gerügt werden, gelten als genehmigt. Sie kann nur darauf hoffen, dass der Unternehmer aus Gründen der Kulanz den Schaden aus freien Stücken in Ordnung bringt.

Besser als ein fehlerhaftes Abnahmeprotokoll ist übrigens gar kein Protokoll. Bei einer stillschweigenden Abnahme (ohne Prüfung) kann die Bauherrschaft sämtliche Mängel bis zum Ablauf der Garantiefrist (Rügefrist) wirksam rügen. Gemäss meinen Beobachtungen ist die stillschweigende Abnahme (ohne Abnahmeprotokoll) bei vielen Arbeitsgattungen recht häufig, und ihr Anteil hat in den letzten Jahren eher noch zugenommen.

Diese Praxis ist jedoch abzulehnen, da sie meines Erachtens klar den Prinzipien der Qualitätssicherung (nach ISO 9000 ff.) widerspricht. Bei gut organisierten Planungsfirmen und insbesondere bei den zertifizierten ist es denn auch keine Frage, dass die Abnahme mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt und ein Abnahmeprotokoll erstellt wird.

 

  • Schutzmassnahmen

Es ist ratsam, dass die Bauherrschaft das Problem der Abnahmen mit der Bauleitung bespricht. Sie soll sich vergewissern, dass erkennbare Mängel bei der gemeinsamen Prüfung auf jeden Fall geltend gemacht werden, und zwar lieber zu viele als zu wenige. Vielleicht könnte auch eine Vereinbarung in den Werkverträgen angezeigt sein, dass Abnahmeprotokolle erst gültig sind, wenn sie zusätzlich von der Bauherrschaft unterzeichnet sind.